© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Ballistisch gegen Downing Street
IRA-Mörseranschlag auf das britische Kabinett
Jürgen W. Schmidt

Am 7. Februar 1991 tagte im Sitz des britischen Premierministers in der Downing Street das Kriegskabinett unter Leitung von Premierminister John Major, um Fragen des gerade laufenden zweiten Golfkrieges zu besprechen. Um 10.08 Uhr erschütterte eine heftige Explosion das Gebäude, welche von einem dreißig Meter hinter dem Tagungsort eingeschlagenen Geschoß herrührte. Zwei Wachleute und zwei Passanten wurden verletzt. Das Kriegskabinett hatte Glück gehabt, denn Bombenschutznetze an den Fenstern dämmten die Splitterwirkung. 

Zudem waren zwei der drei abgefeuerten und mit jeweils 20 Kilogramm Plastiksprengstoff Semtex versehenen Geschosse als Blindgänger nahe des Tagungsraums eingeschlagen. Premierminister John Major agierte cool und erklärte: „Ich glaube, wir sollten nochmals (woanders) zu tagen anfangen.“ Die Ermittlungen der britischen Geheimdienste und der Special Branch von Scotland Yard ergaben, daß der Terroranschlag von der PIRA (Provisional IRA) geplant und durchgeführt worden war. Die IRA wurde über Libyen reichhaltig mit Plastiksprengstoff und Waffen versorgt und hatte zwecks Tötung der verhaßten Premierministerin Margaret Thatcher schon einige Jahre lang über Methoden eines effektiven Anschlags auf den Sitz des britischen Premierministers in London nachgedacht. Als erfolgversprechend erkannte man einen Mörserangriff, abgeschossen aus einem umgebauten Lieferwagen vom Typ Ford Transit. In das Verdeck des Kastenwagens schnitt man eine Luke, aus welcher die Mörsergeschosse fast senkrecht abgefeuert werden konnten. Ballistiker der IRA berechneten die Flugbahn und legten einen geeigneten Abschußort zweihundert Meter entfernt vom Tagungsort fest. 

Als der Termin der nächsten Kriegskabinettssitzung über die Massenmedien bekannt wurde, schritt man zur Tat. Der präparierte Wagen wurde am vorgesehenen Ort geparkt und die Dachluke geöffnet, worauf sich der Fahrer entfernte. Als sich ein aufmerksamer Polizist kurz darauf dem parkenden Fahrzeug näherte, feuerte man per Fernzündung übereilt alle drei Geschosse ab und sprengte per Fernzündung zwecks Spurenverwischung das Fahrzeug. Ein britischer Staatsschützer gab später an, daß das Unternehmen sorgfältig geplant, doch schlecht verwirklicht wurde und deshalb sein Ziel verfehlte. Die nationalistische irische Musikgruppe „The Irish Brigade“ feierte anschließend den mißglückten Terroranschlag mit dem Song „On Downing Street where you live“.