© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Kabinenklatsch
Überall Losungen, überall Pädagogik
Ronald Berthold

Es gibt doch an fast jedem Spieltag in der Bundesliga einen neuen Anlaß, die Regenbogenfahne zu zeigen. Vergangenes Wochenende war es der 76. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Nicht, daß ich dagegen wäre, dem zu gedenken. Im Bundestag hat man das getan, und dort gehört es auch hin.

Aber was hat der Fußball damit zu tun? Warum trägt der VfB Stuttgart statt seines traditionellen roten Brustrings plötzlich einen regenbogenfarbenen? Warum taucht der FC Bayern die Arroganz-Arena in dieses Licht? Auch die Spielführer, die sonst noch nicht diese Armbinden trugen, taten es an diesem Wochenende. Die Sky-Moderation war sichtlich gerührt und sprach uns allen ins Gewissen, wie sehr wir die Verantwortung für den Völkermord an den Juden tragen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir nutzt sich die permanente Instrumentalisierung des Sports ab. Da freue ich mich auf die Bundesliga-Spiele, werde aber an meine Erbschuld erinnert. Soll ich jetzt statt Vorfreude Scham empfinden? Kann ich beides verbinden? Ganz ehrlich: An mir rauscht es vorbei, und ich fühle mich nur noch genervt.

Der Fan könnte die Mannschaften nicht mehr unterscheiden, aber das kann er ja heute schon nicht.

Mal ist es der Kampf gegen Rechts, mal ein homophober Spruch, dann ein Transparent gegen einen Investor und jetzt das Dritte Reich. Und immer wieder die Regenbogenfahne. Manche Vereine, wie Hertha BSC, haben sie inzwischen dauerhaft vor der Geschäftsstelle gehißt. Das Bekenntnis, zu den politisch Guten zu gehören, übertrumpft den sportlichen Ehrgeiz. Herthas neuer Sportdirektor Arne Friedrich ging eine Woche zuvor nach dem Spiel sogar mit einer „Vielfalt“-Mütze vor die Kameras. Überall Losungen, überall Pädagogik. Und das zu jeder Zeit. Es ist wie bei den Jungen Pionieren.

Vielleicht wäre es passender, alle Vereine würden grundsätzlich ihre Vereinsfarben ändern und nur noch in aus dem Stoff der einstigen Homosexuellen-Fahne geschneiderten Trikots auflaufen. Dann würden sie gar nichts mehr falsch machen. Der Fan könnte die Mannschaften zwar nicht mehr unterscheiden, aber das kann er ja heute auch schon nicht.