© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Anthony Lee. Der ehemalige Soldat und Polizist kämpft für die Sache der Bauern.
Geballt nach Berlin
Christian Vollradt

Der Appell ist eindringlich: „Ihr müßt jetzt alle vom Sofa hoch ...“, lautet die Aufforderung in dem knapp vierminütigen Video, vielfach geteilt über Whats-App-Gruppen, „ ... geballt müssen wir alle nach Berlin!“ Im Bild zu sehen: ein Mann mittleren Alters, die Lesebrille ins leicht graue Haar geschoben, im Hintergrund ein paar Strohballen. „Jetzt geht es um die blanke Existenz!“ Mit drastischen Worten beschwört Anthony Lee seine Berufskollegen, trotz aller anstehenden Arbeit in die Hauptstadt zu ziehen, um gegen eine Politik zu demonstrieren, die Bauern wie ihm wirtschaftlich den Garaus zu machen droht.

Daß sich Protest lohnt, hat der bald 45jährige gerade erst bewiesen. Acht Tage lang hat sein Bündnis „Land schafft Verbindung“ (LsV), zu dessen Sprechern Lee gehört, jüngst der Politik in Niedersachsens Hauptstadt Hannover die Wut der Bauern gezeigt, mit einer Mahnwache samt zahlreichen Traktoren zwischen dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium. Bei den Ressortchefs Olaf Lies (SPD) und Barbara Otte-Kienast (CDU) setzte man immerhin durch, daß die, so die Bauern, zu pauschalen Einschränkungen beim Düngen noch einmal überarbeitet werden. 

Mit seinem Lebensweg beweist Anthony Lee, daß keineswegs nur derjenige ein echter norddeutscher Bauer sein kann, der etwa Hinnerk heißt und schon mindestens in vierter Generation Treckerdiesel und Maissilage mit der Muttermilch bekommen hat. Der Name des im Schaumburger Land Geborenen gibt einen Hinweis, daß er halb Nieder- und halb Angelsachse ist. Sein Vater diente als britischer Berufssoldat. So zog es den Sohn auch zunächst zum Militär: Nach Schule und KfZ-Mechaniker-Ausbildung meldete Lee sich zur Bundeswehr. Erst stand er bei den Panzergrenadieren in Munster, später als Fallschirmjäger in Bayern. Nach acht Jahren Dienst – und anschließender Weltreise – erwarb Lee die Fachhochschulreife, wechselte zur Polizei und wurde Kommissar in Berlin. Doch als seine heutige Frau 2010 den elterlichen Betrieb auf der Domäne des Klosters Möllenbeck bei Rinteln übernahm, hängte Lee die Uniform an den Nagel und zog zurück in die Heimat, um zwei Jahre später die Prüfung zum Landwirt abzulegen. 

Die von der Bundesregierung ausgeheckten Einschränkungen beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln „sind existenzbedrohend sondergleichen“, warnt Lee. Die Landwirtschaft, ja „unser ganzes Leben auf dem Land, wird nicht mehr wiederzuerkennen sein“, denn: „Stirbt der Bauer, dann stirbt das Dorf!“

Bei der Bundeswehr und Polizei habe er gelernt, wie man durch Kameradschaft und Zusammenhalt Berge versetzen könne, schrieb der Vater dreier Kinder einmal über sich. So ist wohl auch die Entschlossenheit zu erklären, mit der Anthony Lee und seine Standesgenossen nun in Berlin den Widerstand gegen die Politik organisieren.