© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

Ländersache: Thüringen
Nicht mittendrin, aber doch dabei
Paul Leonhard

Die thüringische Landesregierung unter Bodo Ramelow (Linke) hat am 5. Februar den ersten Jahrestag der Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten erneut skandalisiert. Die zwei Tage, die der Liberale das Amt ausführte, bevor er seinen Rücktritt ankündigte, gelten Linkspartei, Grünen und SPD nach wie vor als „Dammbruch“. 

Die Landes-SPD präsentiert sich in plakativer Hochform: „Kein Handschlag mit Faschisten“ und „Mit Rechtspopulisten macht man keine Politik“, heißt es auf ihrer Facebook-Seite. Bei der Grünen-Fraktion ist von einem Tag die Rede, an dem sich ein „Ministerpräsident von Gnaden“ der AfD, FDP und CDU habe wählen lassen und somit „bundesweit die Menschen auf die Straßen trieb“. Nur den „massiven Protesten aus Politik, Zivilgesellschaft und Medien“ sei es zu verdanken, daß Kemmerich seinen Posten wieder aufgegeben habe, schreiben die Grünen. 

Unerwähnt bleiben dagegen die Farb-Angriffe auf das Haus des FDP-Mannes und der zeitweise notwendige Polizeischutz für seine Familie. Es gelte, „sich allen Verbrüderungstendenzen zwischen Konservativen und Rechtsextremen“ entgegenzustellen, führen die Grünen weiter aus. 

Nachdem sich die Thüringer CDU bereits im vergangenen Jahr ob ihrer Mithilfe zum „Dammbruch“ reuig zeigte, stimmte die Partei nun abermals einem Stabilitätsmechanismus zu, der der Minderheitsregierung Ramelows weiterhin das geräuschlose Durchregieren gestattet. Bereits im März 2020 hatte es eine derartige Vereinbarung zwischen den drei Linksparteien und der oppositionellen CDU gegeben, die aber mit der Verabschiedung des Landeshaushaltes ausgelaufen war. 

Daß der Fraktionschef der CDU,   Mario Voigt, diese jetzt als „Notfallvereinbarung“ bezeichnete, grenzt angesichts der Verhältnisse schon an Aufmüpfigkeit. Zumal er Rot-Rot-Grün vorwarf, nicht die Kraft zu haben, Thüringen sicher durch die Corona-Pandemie zu steuern. Das ist aber auch nicht das wichtigste Ziel der vier Parteien, sondern „daß eine rechte Partei wie die AfD keinen Einfluß auf Parlamentsentscheidungen bekommt“, so die Linke-Fraktionsvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. 

Bei diesem kleinsten gemeinsamen Nenner ist es nicht verwunderlich, daß in Finanzfragen keine Einigkeit erzielt wurde. Sogar der vornehmsten Pflicht des Parlaments, einen Haushalt für 2022 vorzubereiten, kam dieses nicht nach und delegierte die Aufgabe an die Landesregierung. Kurz nach Abschluß des Paktes verkündete Hennig-Wellsow einen möglichen Nachtrags-

etat für 2021 mit einem Volumen von bis zu 120 Millionen Euro, um die Corona-Hilfen zu finanzieren. 

Das sei nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen, empörte sich    Voigt. Alle Parteien hoffen, daß sich die grosteske Situation am 26. September ändert. An diesem Tag sollen vorzeitige Landtagswahlen in Thüringen stattfinden. Vorausgesetzt, das Landesparlament schafft es bis dahin, die gesetzlichen Grundlagen dafür zu beschließen. 

Aktuell würden 31 Prozent der Thüringer die Linke wählen, je 22 Prozent AfD und CDU, acht Prozent die Grünen und sieben Prozent die SPD. Damit bliebe alles beim alten.