© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/21 / 12. Februar 2021

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Christian Hardinghaus läßt noch lebende Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs zu Wort kommen
Werner Olles

Die beiden Bücher des Historikers Christian Hardinghaus schildern deutsche Geschichte, weder geschönt noch verlogen, sondern als Dokumente gegen alle Versuche, dem deutschen Volk eine Kollektivschuld aufzuzwingen. Die jungen Männer empfanden den Krieg zunächst nicht als Katastrophe, und ihre Bereitschaft, dabei auch ihr Leben einzusetzen, entstand meist aus Hingabe und Liebe an das Vaterland, nicht aus Sympathie für den Nationalsozialismus oder Adolf Hitler. 

Es sind Erinnerungsbücher, die aus der Innenwelt einer Zeit kommen, die den Heutigen fremd ist, erzählt von Menschen, die in die Diktatur hineinwuchsen und schließlich in den Krieg hineingezogen wurden. Am Ende stand die Vertreibung von zwölf Millionen Deutschen aus ihrer Heimat in Ostpreußen, Schlesien, Pommern, dem Sudetenland. Über zwei Millionen kamen dabei um, verhungerten, erfroren, wurden erschlagen oder erschossen, die Frauen erlitten Vergewaltigungen und Schlimmeres. 

In „Die verdammte Generation“ porträtiert der Autor ein Dutzend Kriegsgeschichten, die ihm damalige Soldaten der Wehrmacht in den letzten vier Jahren anvertrauten. Einige hatten ihre Erinnerungen in Form von Tagebüchern aufgeschrieben, andere verdrängten alles, solange es eben ging. Nicht wenige schildern, daß sie die Gewißheit hatten, in den gefährlichsten Momenten auf dem Schlachtfeld habe ein Schutzengel an ihrer Seite gestanden und sie vor dem sicheren Tod bewahrt. Erst nachdem den Männern klar war, daß sie nicht befürchten mußten, vorgeführt oder verurteilt zu werden, öffneten sie sich und gaben ehrlich und detailliert Auskunft. So entstand ein realistisches und authentisches Bild ganz normaler Wehrmachtssoldaten verschiedener Waffengattungen, die an verschiedenen Einsatzorten kämpften. 

Wie drängend das Vorhaben von Hardinghaus war, zeigt die Tatsache, daß vom ersten Interview bis zur Fertigstellung des Buches die Hälfte der Befragten verstarb. Auch ihnen war es wichtig gewesen, von ihren Erfahrungen zu erzählen, gehörten sie doch einer verdammten Generation an: verdammt zum Kämpfen, zum Töten oder zu fallen, später verdammt zum Schweigen und dafür am Krieg teilgenommen zu haben.

Ihre Berichte sind schonungslos, immer wieder hinterfragen sie sich selbst, schildern ihre Erlebnisse vom Hitlerjungen bis zum Kämpfen und Sterben im russischen Winter, in den Ardennen und an den Stränden der Normandie oder den Wüsten Nordafrikas. Ergreifend sind die Schilderungen aus dem Kessel von Stalingrad, dem Todeskampf um Berlin oder aus der Kriegsgefangenschaft in den sibirischen Gulags oder unter freiem Himmel auf den Rheinwiesen, wo Zigtausende elend zugrunde gingen. 

Der Autor betont, daß nur 0,05 Prozent aller Soldaten der Wehrmacht wegen Kriegsverbrechen verurteilt wurden, ein nicht geringer Teil bereits während des Krieges von der deutschen Wehrmachtgerichtsbarkeit, beispielsweise wegen Plünderungen oder Vergewaltigungen. Die Beteiligung der Wehrmacht am Holocaust ist für den Autor historisch nicht verwertbar, Fakt ist, daß die von den Einsatzgruppen des SD und der SiPo durchgeführten Massaker außerhalb besetzter Ortschaften und fern von Truppen der Wehrmacht stattfanden. Der Reemtsma-Ausstellung und den „Antifa“-Linksextremisten ging es allein darum, Millionen von deutschen Soldaten die Ehre abzusprechen. Aber Schuld ist immer nur individuell!

Hardinghaus’ zweites Buch „Die verratene Generation. Gespräche mit den letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkriegs“ bricht mit dem Tabu der Vertreibungsverbrechen mit über zwei Millionen Ermordeten und mindestens zwei Millionen vergewaltigten Mädchen und Frauen, vom Kind bis zur Greisin. 

Viele nahmen persönliches Leid mit ins Grab

Als Kriegsverbrechen sind auch die Flächenbombardements der Alliierten mit weit über 600.000 Todesopfern zu werten, die meisten von ihnen Frauen, Kinder, Alte und Kranke. Nacht für Nacht zitterten die Frauen in den Luftschutzkellern, trauerten um ihre gefallenen Männer, Väter, Söhne und Brüder. Als erste Opfer der Roten Armee erlebten sie im Osten des untergegangen Reiches barbarische Torturen, am Ende krochen sie über die Trümmer ihrer zerstörten Städte und Dörfer und begannen mit dem Wiederaufbau. Niemand fragte sie nach ihren unverarbeiteten Kriegstraumata, die meisten nahmen ihr persönliches Leid mit ins Grab. Die Frauenforschung hat sich kaum für ihre Schicksale interessiert, doch der Autor läßt die Zeitzeuginnen selbst sprechen. dabei offfenbart sich der katastrophale Zustand unserer Erinnerungskultur. 

In einem Land, in dem Denkmäler zur Erinnerung an unsere Gefallenen und Vertriebenen regelmäßig geschändet werden, hat Christian Hardinghaus den letzten Soldaten der Wehrmacht und den letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkrieges ein würdiges und ehrenhaftes Denkmal gesetzt, das für unsere Erinnerungskultur von enormer Bedeutung ist.

Christian Hardinghaus: Die verdammte Generation. Gespräche mit den letzten Soldaten des Zweiten Weltkriegs. Europa Verlag, Zürich 2020, gebunden, 327 Seiten, 20 Euro

Christian Hardinghaus: Die verratene Generation. Gespräche mit den letzten Zeitzeuginnen des Zweiten Weltkriegs. Europa Verlag, Zürich 2020, gebunden 335 Seiten, 20 Euro