© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

AfD
Der Unfairneß trotzen
Dieter Stein

Soll ich Ihnen sagen, warum es mir schwerfällt, die AfD zu kritisieren? Vielleicht entgegnen Sie mir: „Wieso, Sie haben doch schon jede Menge Kommentare geschrieben, in denen Sie das getan haben. Irgendwie scheint Ihnen das zu liegen.“ Das ist wohl nicht ganz falsch. Trotzdem gibt es eine Hemmung. Denn: Der Partei wurde von Anfang an überwiegend mit Unfairneß begegnet.

In Deutschland eine Partei rechts der Mitte zu gründen, war bislang das sichere Weg zur gesellschaftlichen Isolation und einer programmierten Niederlage. Von Beginn an wenden sich nicht nur die etablierten Parteien gegen den Neuling, er hat auch die Medien, sogar einst konservative, im Grunde die gesamte Öffentlichkeit gegen sich.

Eine Erweiterung des parlamentarischen Spektrums nach rechts ist ein Angriff auf den Monopolanspruch der Union. Nun hat die CDU unter Merkels Regie aber die Flanke dermaßen geöffnet, daß die AfD den idealen Moment erwischt hat und ihr ein historisch einmaliger Senkrechtstart gelang. 

Die Unfairneß: Wurde der AfD wirklich von der Öffentlichkeit die Chance gegeben, sich konstruktiv zu entwickeln? Wurde das objektiv vorhandene Problem einer riesigen Repräsentationslücke im konservativ-freiheitlichen Bereich im gesamtgesellschaftlichen Sinne erkannt und eine Schließung der Lücke als demokratiepolitisch sinnvoll angesehen? Nein.

Schon unter der Ägide des gemäßigten Gründers Bernd Lucke waren Medien und Vertreter „gesellschaftlich relevanter Gruppen“ regelrecht darauf fixiert, die AfD systematisch in die rechtsradikale Ecke zu drängen und wollte man eine ergebnisoffene Entwicklung nicht zugestehen, wie es bei den Grünen oder selbst bei der SED/Linken geschah. „Wem es in der Küche zu heiß ist, soll nicht Koch werden“, hören Politiker, die sich über Gegenwind beklagen. Insofern gehört eine Menge Mut, aber eben auch Klugheit dazu, sich in Deutschland insbesondere für eine Partei rechts der Mitte zu engagieren und hierfür seinen Ruf zu opfern.

Die AfD hätte niemals den entscheidenden Anfangsschwung gehabt, wenn sie trotz der Unfairneß durch ihr führendes Personal nicht ein großes Maß an Kompetenz ausgestrahlt und ihr unbelastetes Auftreten schnell große Sympathien gewonnen hätte. Vom anfänglichen Nimbus, eine breite bürgerliche Kraft zu sein, die – ob bei der Euro-Rettung, Energiewende oder bei der Migration – auf Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit pocht, zehrt sie noch heute.

Und hier mußte die Kritik ansetzen: Es reicht nicht, allein Umstände und Unfairneß zu beklagen. Die Entwicklung konnte antizipiert werden. Es ist deshalb ein Fehler, sich freiwillig zunehmend in eine Isolation zu manövrieren, in die man die AfD erkennbar von vornherein treiben wollte. Doch es ist noch immer nicht zu spät, gegenzusteuern.