© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Wissenschaft in Zeiten der Corona-Pandemie
Verantwortung: Fehlanzeige!
Mathias Pellack

Der Fall des von Markus Söder geschaßten Mitglieds des Bayerischen Ethikrats, Christoph Lütge, ist exemplarisch für den Umgang mit Wissenschaftlern, die sich nicht der aktuell gewünschten Mehrheitsmeinung fügen.

Der Bayerische Ministerpräsident ließ den habilitierten Wirtschafts-ethiker Lütge aus dem neugegründeten Ethikrat entfernen, nachdem dieser sich wiederholt für alternative Perspektiven zum Dauer-Lockdown ausgesprochen hatte und damit den Kurs der Landes- und der Bundesregierung öffentlich kritisierte. Der im Oktober bestellte Berater erklärte: „Die Kollateralschäden sind zu hoch.“ Den Lockdown halte er „für völlig unnötig und für nicht verhältnismäßig“. Das entspricht sicher nicht der Mehrheitsmeinung unter Virologen, doch in anderen Disziplinen und Gesellschaftsbereichen sind diese Aussagen konsensfähig und belegbar. Eine Diskussion sollte also erlaubt sein – zumal in einem Ethikrat.

Wer dagegen als Regierungsoberhaupt wie die Bundeskanzlerin bewußt nur die Stimmen der Virologen hört, oder wie der bayerische Ministerpräsident von der Mehrheitsmeinung abweichende Wissenschaftler ausschließt, entgeht seiner Verantwortung für weite Teile der Gesellschaft. Denn ethisch ist es, so sagt es schon die Goldene Regel, die Position des jeweils anderen mitzudenken.