© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Mit weniger mehr?
Umfrage: Unter welchen Prämissen sich das AfD-Potential erhöhen würde
Christian Vollradt

Krisenzeiten sind Regierungszeiten. Eine Binsenweisheit, die Oppositionsparteien die Lust auf Umfragen vergällt. Auch in der aktuellen Erhebung von Insa liegt die Kanzlerpartei Union mit 33,5 Prozent mit großem Abstand vor den anderen Parteien. Zur Erinnerung: Vor Beginn der Corona-Pandemie lagen CDU/CSU in Umfragen Anfang März 2020 noch bei 26,5 Prozent Zustimmung.  

Mit 10,5 Prozent steht die AfD derzeit recht stabil da. Der Wert in der sogenannten negativen Sonntagsfrage („Welche Partei können Sie sich grundsätzlich gar nicht vorstellen, zu wählen?“) sank sogar von 74 Prozent Anfang Dezember vergangenen Jahres auf aktuell 68 Prozent. Es scheint, als hätten die innerparteilichen Kontroversen und Zerwürfnisse zumindest kurzfristig auf Bundesebene in den Erhebungen der Demoskopen kaum negative Folgen für die Partei. Dabei sind mit Corona zu den schon länger existierenden Streitfragen – Wortwahl, Abgrenzung, Fundamentalopposition ja oder nein? – neue dazugekommen: Welchen Stellenwert räumt man dem Opponieren gegen die Lockdown-Politik der Regierung ein? Welche Wortwahl ist angemessen, Stichwort „Corona-Diktatur“? Wie hält es die Partei mit den „Querdenkern“ und dem Protest auf der Straße? 

Möglicher Zuwachs vor allem bei Unions-Wählern

Im Auftrag der JUNGEN FREIHEIT haben sich die Meinungsforscher von Insa in einer repräsentativen Umfrage bei den Wählern umgehört, ob bestimmte Faktoren ihr Wahlverhalten bezüglich der AfD verändern würden. Unter denen, die die Partei jetzt schon wählen, würde sich diese politische Präferenz noch einmal verstärken, wenn die AfD koalitionsfähig wäre (siehe Grafik). An zweiter Stelle würde sich die Wahlwahrscheinlichkeit noch einmal erhöhen, wenn die Partei weniger durch Skandale auffiele. Danach kommen die Kritierien „sprachliche Mäßigung“, die Gefahr durch Corona nicht zu verharmlosen und eine deutlichere Abgrenzung nach rechts. 

Anders das Bild bei den potentiellen Wählern der AfD: Unter ihnen würde sich die Wahrscheinlichkeit einer Wahl der Partei am häufigsten erhöhen, wenn diese weniger durch Skandale auffallen (47 Prozent), die Gefahr durch Corona nicht verharmlosen würde (42 Prozent) und koalitionsfähig wäre (42 Prozent).

Aufgeschlüsselt nach Wählern, die bisher für andere Parteien votieren, ergibt sich, daß vor allem die Anhänger der Unionsparteien auf Veränderungen bei der AfD reagieren würden. Wenn die Partei die Gefahr durch Corona nicht verharmlosen würde, so stiege laut Insa unter den aktuellen 33,5 Prozent an Unionswählern der Anteil potentieller AfD-Wähler um gut vier Prozentpunkte. Das gesamte Potential für die AfD innerhalb der Anhängerschaft von anderen Parteien würde so um neun Punkte auf insgesamt 13 Prozent wachsen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Fragen von Koalitionsfähigkeit und im Falle von weniger Skandalen. Das Steigerungspotential wäre für die Partei jeweils unter bisherigen Unionswählern am höchsten.

Mitfühlend solle die AfD sich präsentieren, empfahl zum Jahreswechsel die interne Strategieabteilung der Bundestagsfraktion den Abgeordneten. Die sollten vermeiden, „verstärkt Antipathie zu erzeugen“, und die Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen, so der Ratschlag. Wohlgemerkt die Sorgen vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Krise genauso wie die Ängste vor dem Virus.

(Grafiken siehe PDF)