© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 08/21 / 19. Februar 2021

Frisch gepresst

Mikrogeschichte. Der Historiker Gunter L. Spraul hat 2016 mit einer akribischen Rekonstruktion das von der etablierten Zeitgeschichtsforschung zu Unrecht als „Kriegsverbrechen“ angeklagte Vorgehen der kaiserlichen Armee gegen belgische Heckenschützen („Franktireurs“) zu Beginn des Ersten Weltkriegs (JF 12/16) aufbereitet. Mit ähnlicher Sorgfalt hat er den reichen Nachlaß des 1943 mit 26 Jahren auf U 156 gefallenen Oberleutnants zur See Leopold Schuhmacher ediert. Zu dessen bereits 2008 veröffentlichten „Tagebüchern und Aufzeichnungen“ fügt er jetzt autobiographische Dokumente aus der Seekadetten-Zeit hinzu, die 1937 mit einer nach Island führenden Ausbildungsreise auf dem Segelschulschiff „Horst Wessel“, dem Schwesterschiff der alten „Gorch Fock“, endete. Wieder spiegelt die außergewöhnlich üppig mit privaten Aufnahmen illustrierte Mikrogeschichte eines Einzelschicksals das Bild einer Generation, die stärker noch als vom „geistig-kulturellen Klima des Nationalsozialismus“ von preußisch-deutschen Mentalitäten und Werten der Kaiserzeit geprägt war. Zuallererst von der „Vaterlandsliebe“, etwas „was es heute nicht mehr zu geben scheint“, wie der von Spraul zitierte General a. D. Johann Adolf Graf von Kielmansegg, einer der Mitbegründer der Bundeswehr, schon 2001 im Interview mit dieser Zeitung (JF 18/01) feststellen mußte. (ob)

Gunter Spraul (Hrsg.): Leopold Schuhmachers Weg zur Marine. Vom Dänholm zur „Horst Wessel“. Frank & Timme Verlag, Berlin 2020, gebunden, 429 Seiten, Abbildungen, 49,80 Euro





Lemberg. Jede Seite bis hin zu den in den ukrainischen Nationalfarben Blau und Gelb gestalteten Farbbändern des prächtig illustrierten Werkes atmet die Begeisterung des Autors für die westlichste Stadt des Ostens oder östlichste Stadt des Westens – so wie man Lemberg in der wechselvollen Geschichte zwischen Kiewer Rus, Ungarn, Polen-Litauen, Österreich-Ungarn, Polen, der Sowjetunion und der Ukraine eben betrachten will. Thomas Schaufuß gelingt seine Tour d’horizon von der Geschichte über die Kultur und Architektur bis zur quirligen Universitätsstadt der Gegenwart ebenso anschaulich wie einnehmend. Daß fast ein Drittel des Bildbandes die vermittelte Lebensart in lukullischer Form präsentiert, darf wohl mit dem Erstkontakt des Autors zur Region als Kochlehrling in einem ukrainischen Lokal in Verbindung stehen. (bä)

Thomas Schaufuß: Lemberg. Porträt und Lebensart einer faszinierenden, zauberhaften Stadt. Verlag Janos Stekovics, Wettin-Löbejün 2020, gebunden, 171 Seiten, Abbildungen, 24,80 Euro