© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Mißbrauchsskandal im Erzbistum Köln
Druck auf Woelki wächst
Gernot Facius

Bleibt er oder wird er gehen? Kardinal Rainer Maria Woelki ist der Hirte, den seine rheinische Herde nicht mehr will. Sein unglückliches Agieren in der Mißbrauchsaffäre hat eine beispiellose Vertrauenskrise ausgelöst. Katholiken schreien ihren Unmut laut in die Welt hinaus, sie wollen nicht länger die Schafe sein, die ohne Widerspruch den Hirten hinterherlaufen. Kleriker gehen auf Distanz zum Kardinal.

Bei den Kölner Ämtern sind die Termine für Kirchenaustritte bis Ende April ausgebucht. Internet-Server brechen zusammen. Ein Spiegel-Bericht über ein neues Gutachten, das seit 1975 mehr als 300 Mißbrauchsopfer und etwa 200 Beschuldigte aufführt, verstärkt den Druck auf Woelki, endlich Klartext zu sprechen und nicht bis zum 18. März zu warten, wenn die Expertise bekanntgemacht werden soll. Woelki räumt ein, Fehler gemacht, Schuld auf sich geladen zu haben. Das ehrt ihn, wird ihn aber kaum entlasten. Längst hat das Thema noch eine andere Ebene erreicht.

Die Konfessionen, sagt der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, lebten in einer „ökumenischen Haftungsgemeinschaft“. Wenn Menschen in allen Kirchen als dem einen Leib Christi mißhandelt würden, leide darunter der ganze Körper. Und wenn dieser Schmerz unterdrückt und Heilung verhindert werde, dann habe das Folgen für den ganzen Körper. Das rheinische Grundgesetz „Et hätt noch immer jot jejange“ ist durch die Affäre außer Kraft gesetzt.