© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Michael Shellenberger. Der bekannte US-Umweltaktivist rechnet mit seiner Branche ab.
Apokalypse abgesagt
Katrin Krips-Schmidt

Auch wenn ehemalige Mitstreiter ihn für einen Verräter halten, Michael Shellenberger hat nur getan, was man von aufrichtigen Menschen erwartet: Fehler einzugestehen. Der ehemalige amerikanische Umweltaktivist, der 2008 auf der „Helden der Umwelt“-Liste des Time-Magazins stand, hatte sich nach eigenem Bekenntnis jahrelang des Verbreitens klimapolitischer Falschnachrichten schuldig gemacht. Sein „Mea culpa“, das auf der Netzseite von Forbes erschien, wurde natürlich „gecancelt“, wie in Zeiten der Empörungskultur üblich. Doch das kanadische Onlinemagazin Quillette hat den gelöschten Beitrag „Im Namen der Umweltschützer entschuldige ich mich für die Klima-Panikmache“ wieder ins Netz gestellt. 

Besser spät als nie, werden jene denken, denen Shellenberger noch als radikaler Aktivist in Erinnerung ist. Geboren in Colorado/USA besuchte der in einer Freikirche erzogene Shellenberger ein Quäker-College. Mit 16 Jahren für den Regenwald engagiert, wollte der heute 49jährige Autor von Büchern über Umweltthemen die Fakten vor der Öffentlichkeit schließlich nicht mehr verbergen: Natürlich finde der Klimawandel statt, aber „er ist nicht das Ende der Welt“. Der Kernkraftbefürworter, der jahrelang „aus Angst, Freunde und Finanzförderung zu verlieren“, nicht wagte, seine wahre Meinung zu äußern, vollzieht in seinem Buch „Apocalypse Never. Why Environmental Alarmism Hurts Us All“ (Der Weltuntergang kommt nicht. Warum Umwelt-Alarmismus uns alle bedroht) die Kehrtwende. 2022 soll der US-Bestseller auch auf deutsch erscheinen. Mythen setzt das Buch Fakten entgegen und belegt, daß die Risiken für extreme Wetterverhältnisse, Waldbrände und Artensterben etc. übertrieben werden und Menschen sich höheren Temperaturen anpassen. So zeigt Shellenberger anhand einer Studie von 2019, daß Sterblichkeitsrate und ökonomische Schäden „während der letzten vier Jahrzehnte um achtzig bis neunzig Prozent sanken“. Außerdem hält er die Kernenergie für unentbehrlich, um die Umweltprobleme in den Griff zu bekommen. „Hätte Deutschland die 580 Milliarden Dollar, die es in erneuerbare Energien steckte, in Kernenergie investiert“, schreibt er, „würde es hundert Prozent seines Stroms emissionsfrei erzeugen“. 

Zudem seziert er den quasireligiösen Charakter der Umweltbewegung, die Gott durch die Natur ersetzt habe und die „neue Religion der Elite“ sei. Wie das Christentum fordere sie „moralisches“ Verhalten und übernehme unbewußt dessen Mythen wie den Garten Eden oder den Sündenfall als Metapher für die Mißachtung der Natur. 

Unlängst war Michael Shellenberger vom US-Kongreß zu einer Anhörung über Energiepolitik eingeladen. Man möchte hoffen, es könnte ein Anzeichen gewesen sein, für den dringend nötigen Kurswechsel hin zu einer realistischen Umweltpolitik.