© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Schöne neue Welt mit Stern
Die Gender-Ideologie greift nach unserer gewachsenen Sprache: JF-Reporter auf der Spur eines Netzwerks und seiner Finanziers / Auftakt einer mehrteiligen Serie
Hinrich Rohbohm

Immer häufiger reden Moderatoren des öffentlichen Rundfunks von Zuschauer*innen, schreiben Verwaltungsbeamte von Bürger*innen, Schuldirektoren von Schüler*innen, hantieren Kirchen und Gewerkschaften mit Richtlinien zu „gendergerechter“ Schreibweise. Immer stärker durchdringen Genderstern und Unterstrich unter dem Deckmantel von Gleichstellung und Antidiskriminierung unsere Gesellschaft und bringen dabei manchmal haarsträubende Wortschöpfungen mit sich. Das klingt harmlos, manchmal sogar witzig. Ist es aber nicht. Denn hinter diesen scheinbar nur aus Wortklaubereien bestehenden Änderungen verbirgt sich eine zutiefst totalitäre Ideologie, die nicht nur auf eine Änderung von Sprache und Bewußtsein abzielt, sondern eine Zersetzung familiärer und letztlich gesamtgesellschaftlicher Strukturen verfolgt und ihre Opfer nicht selten als bindungsunfähige und entwurzelte Persönlichkeiten zurückläßt.

Wie aber ist die Gender-Ideologie in die Amtsstuben von Rathäusern und Ministerien, in die Redaktionen von Rundfunk und Fernsehen, in die Klassenzimmer von Schulen, die Hörsäle von Universitäten, sogar in die Kindergärten gelangt? Eine breite gesellschaftliche Debatte hat es darüber nie gegeben. Auch in den Parlamenten war Gender Mainstreaming eher ein Nischenthema. Vielmehr sind es gut vernetzte linke Randgruppen und Nichtregierungsorganisationen, die den Einzug von Gender Mainstreaming in die Mitte der Gesellschaft weitgehend geräuschlos vorantreiben.

Der Startschuß für Gender fiel 1985 in Nairobi

Dieser sanfte, im Falle von Widerspruch zuweilen aber auch höchst aggressive Druck von unten auf die Gesellschaft erfreut sich gleichzeitig eines schon Jahrzehnte vorher noch weit geräuschloser erfolgten Drucks einer Gender-Lobby von oben. Wobei mit oben die Vereinten Nationen gemeint sind.

Mit Beginn von Michail Gorba­tschows Perestroika in der Sowjetunion wurde Gender Mainstreaming 1985 auf der Weltfrauenkonferenz in Nairobi erstmals thematisiert. Zehn Jahre später verpflichteten sich 189 UN-Unterzeichnerstaaten auf der Weltfrauenkonferenz in Peking, die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft zu fördern. Ähnlich wie beim sogenannten Erdgipfel von Rio de Janeiro wurden die Selbstverpflichtungen der UN-Mitgliedsstaaten maßgeblich von zumeist linken Nichtregierungsorganisationen erarbeitet. Von Organisationen, die sich nie einer Wahl stellen mußten und somit über keine demokratische Legitimation verfügen.

Die Verpflichtung war nicht nur ein Meilenstein für den Feminismus. Sie war auch der Startschuß für Gender Mainstreaming. Nach Definition der Vereinten Nationen sind demnach bei jeder staatlichen Aktion und in allen gesellschaftlichen Bereichen die geschlechtsspezifischen Auswirkungen zu bewerten. Eine sogenannte Querschnittsaufgabe, die einen zwangsläufig an das Wirken des Politkommissars der Sowjetunion erinnert, der einst die Einhaltung der Parteilinie in der Roten Armee gewährleisten sollte. Heute sind es Gleichstellungsbeauftragte, die über die Einhaltung von Quoten und gendergerechter Sprache wachen. Sie sitzen in den Ministerien von Bund und Ländern ebenso wie in den Rathäusern der Kommunalverwaltungen und sind an keine Weisungen gebunden. Auf Bundesebene ist nur Frauen die Ausübung dieser Funktion gestattet. Männern ist sie untersagt.

Über die Umsetzung von Gender Mainstreaming wacht die 2010 gegründete und mit einem Etat von mehr als 300 Millionen Euro ausgestattete UN-Frauenorganisation. Erste Vorsitzende von UN Women wurde im selben Jahr die Sozialistin Michelle Bachelet, Tochter des chilenischen Luftwaffengenerals Alberto Bachelet, eines engen Vertrauten des einstigen sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Während der Diktatur Pinochets fand Michelle Bachelet Zuflucht in der DDR. Seit September 2018 ist die ehemalige chilenische Präsidentin Hohe UN-Kommissarin für Menschenrechte. Ihre Nachfolgerin bei UN Women wurde Phumzile Mlambo-Ngcuka, die dem von der ehemaligen Sowjetunion und China unterstützten African National Congress (ANC) Nelson Mandelas entstammt und sich in den achtziger Jahren am University College in London in Genderpolitik ausbilden ließ.

Und noch eine weitere UN-Institution sorgte in bezug auf Gender Mainstreaming für einen Paradigmenwechsel. Im Jahre 2018 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Transsexualität von der Liste psychischer Störungen genommen. Was bis dahin noch als Krankheit galt, ist nun Normalität. Eine Entscheidung von erheblicher Tragweite.

Generaldirektor der WHO ist der Äthiopier Tedros Adhanom Gebreysos, der im Mai 2017 mit maßgeblicher Unterstützung der chinesischen Regierung ins Amt gekommen war. Ghebreysos, ein ehemaliger Polit-Funktionär der kommunistischen Tigray People’s Liberation Front in Äthiopien, war vor allem durch seinen allzu nachsichtigen Umgang mit China im Zusammenhang mit der Corona-Krise kritisiert worden.

Nach der Weltfrauenkonferenz und der damit einhergehenden Verpflichtung wurde mit dem Vertrag von Amsterdam Gender Mainstreaming auch als Ziel der Europäischen Union festgeschrieben. Es ist der Türöffner für zahlreiche Zuschüsse diverser Gender-Initiativen und Nichtregierungsorganisationen aus der linken Szene, die vor allem aus dem Budget des Europäischen Sozialfonds fließen.

Dabei stammen die geistigen Grundlagen für diese neue Gender-Ideologie alten Ideen linksradikaler Protagonisten. Wie etwa den Feministinnen Simone de Beauvoir und Judith Butler, der Sowjet-Kommunistin Alexandra Kollontai, dem französischen Kommunisten Louis Althusser oder dem marxistischen Philosophen und Mitgründer der Kommunistischen Partei Italiens, Antonio Gramsci. Letzterer vertrat Anfang des 20. Jahrhunderts eine These, deren Kern sich heute in der Gender-Ideologie wiedererkennen läßt: So müsse demnach die kulturelle und moralische Hegemonie eines Landes erst zerstört werden, bevor die kommunistische Revolution erfolgreich sein könne.

In diesem Zusammenhang bemerkte der ehemalige Herausgeber des Soviet Analyst, Christopher Story, bereits zur Wendezeit, daß Michail Gorbatschows Perestroika „eindeutig leninistische dialektische Züge“ in sich trage und nur oberflächlich dem Umbau des Sowjetsystems diene. Vielmehr diene sie der Umstrukturierung von Denkweise und Mentalität der westlichen Industriestaaten, deren Demoralisierung vor allem durch die Verwendung einer manipulativen Sprache sowie zersetzender Angriffe auf deren gesellschaftliche Institutionen und auf die klassische Familie erfolge zwecks Destabilisierung.

Dem amerikanischen Historiker und Rußland-Experten Richard Pipes zufolge werde ein solches Ziel „primär durch die Kontrolle über die Informationsorgane“, also die Medien, erlangt. Ziel sei es, „die Gedanken bereits an der Quelle zu manipulieren – das heißt im Gehirn, wo sich der Gedanke formt und Informationen verarbeitet werden“. Hierfür sei es die beste Methode, „Worte und Phrasen der gewünschten Art zu schaffen“.

Viel Steuergeld für Einfluß-Organisationen

Ähnlich klingt auch der Titel eines Leitfadens, der in den Redaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Runde macht und deren Journalisten zu einer gendergerechten Sprache auffordert: „Sprache schafft Bewußtsein.“ Erstellt wurde die Handreichung 2019 von der Gleichstellungs- und „Diversity“-Beauftragten des NDR, Nicole Schmutte.

Auch in der Duden-Redaktion möchte man die Sprache verändern. Deren Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Ra­zum, geboren 1959 in Potsdam, fungierte zu DDR-Zeiten als stellvertretende Chefredakteurin der damals redaktionell mit der Humboldt-Universität verbundenen Zeitschrift für Germanistik. Heute möchte sie Genderschreibweisen in den Duden aufnehmen und so normieren. Das Gendersternchen habe aus ihrer Sicht gegenüber anderen „gendergerechten“ Schreibweisen einen Vorteil: „Es bildet mehr als zwei Geschlechter ab und löst damit die Binarität auf“, sagte sie im Interview mit Spiegel online im November 2018. Das mache zum Beispiel das Binnen-I nicht, „da sind bloß zwei Geschlechtskategorien enthalten“. Gefragt, ob Männer „Macht abgeben“ müßten, antwortete sie: „Genau.“

Zu nennen wäre auch Luise F. Pusch, die „Mutter der feministischen Linguistik“ (Cicero). Die Sprachwissenschaftlerin, Jahrgang 1944, die an den Universitäten in Hannover, Duisburg, Konstanz und Münster lehrte, engagiert sich seit 1979 für die Gender-Sprache. Ihre Textsammlung „Das Deutsche als Männersprache“ von 1984 wurde zum eigenwilligen Klassiker. Heute formuliert sie Gedanken wie „Die deutsche Männersprache versteckt die Frau besser als jede Burka“ oder „Unsere Grammatik widerspricht dem Grundgesetz“. Derzeit fordert Pusch eine „geschlechtergerechte“ Überarbeitung der Verfassung.

Auch populäre Fernsehmoderatoren wie Anne Will, Petra Gerster oder Claus Kleber haben sich die Gender-Sprache längst zu eigen gemacht. Und sind teilweise mit ähnlich gelagerten linken Initiativen vernetzt. So gehört Anne Will zu den Erstunterzeichnern der 2012 von über 300 Journalistinnen ins Leben gerufenen Gleichstellungsinitiative Pro Quote. Der vom Bundesfamilienministerium geförderte Verein fordert, die Hälfte aller Führungspositionen in den Medien mit Frauen zu besetzen. Kurz: Nicht Leistung, sondern die Quote soll künftig entscheidendes Besetzungskriterium sein. Zu den Unterstützern der Kampagne zählen neben den Moderatoren Dunja Hayali, Jörg Schönenborn, Sandra Maischberger und Anja Reschke auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo. Als Kooperationspartner fungieren zudem der Deutsche Journalistenverband sowie der Journalistinnenbund – dieser erhält projektbezogen Förderung vom Bundesfamilienministerium. Dessen Vorsitzende Friederike Sittler kommentierte bis 2019 kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen in den ARD-Tagesthemen und leitet heute beim Deutschlandfunk die Abteilung Hintergrund, Kultur und Politik.

Um „Diversity im deutschen Journalismus“ geht es zudem bei den 2008 gegründeten „Neuen deutschen Medienmacher*innen“. Deren zweite Vorsitzende, Ferda Ataman, arbeitete zwischen 2005 und 2007 noch für den damaligen NRW-Integrationsminister Armin Laschet, gehört zudem der Mitgliederversammlung der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung an und schrieb auch schon für eine Publikation von Anetta Kahanes Amadeu-Antonio-Stiftung. Unter anderem fordert sie, den Begriff „Migrationshintergrund“ abzuschaffen.

Allein im vergangenen Jahr erhielt der Verein über eine Million Euro an Projektmitteln aus dem Bundeskanzleramt via die Integrationsbeauftragte. Knapp 90.000 Euro gab das Bundesinnenministerium, weitere 70.000 Euro kamen von der Bundeszentrale für politische Bildung. Für die Jahre 2020 und 2021 stellte das Bundesfamilienministerium 191.900 Euro bereit. Auch die Open Society Stiftungen (OSF) des Milliardärs George Soros sind bei der Bezuschussung der Initiative mit von der Partie, ebenso wie die Rudolf-Augstein-Stiftung und die Zeit-Stiftung.

Welche verheerenden Folgen diese Sprach- und Bewußtseinsveränderungen gerade für jüngere Generationen mit sich bringen und wie ein Jugendlicher gegenüber der JF erstmals schildert, wie er Opfer einer Transgender-Connection wurde, lesen Sie in der kommenden Ausgabe.