© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Kritik unzulässig?
Frankreich: Génération Identitaire wehrt sich gegen das drohende Verbotsverfahren
Friedrich-Thorsten Müller

Wie der Stich in ein Wespennest wirkte die Ankündigung des französischen Innenministers Gérald Darmanin vom 13. Februar, in Frankreich die Génération Identitaire (Identitäre Bewegung) verbieten zu wollen. 1.500 bis 2.000 Anhänger der Bewegung haben am vergangenen Samstag auf der Place Denfert-Rochereau in Paris dagegen demonstriert, darunter auch der frühere FN-Politiker und heutige Präsident der Kleinstpartei „Les Patriotes“, Florian Philippot. Mit Schildern, auf denen ein Pfeil mit dem doppeldeutigen Satz, „Sie wollen mich auflösen“, auf ihren Träger zeigte, protestierten die meist jungen Aktivisten gegen ihre Gleichsetzung mit gewaltaffinen Islamisten.

Zeitgleich versammelten sich nur einen Kilometer entfernt einige Dutzend „Antifaschisten“ zu einer nicht genehmigten Gegendemonstration. Im weiteren Verlauf kam es zu Rangeleien bei Versuchen, die Demonstration der Identitären zu stören. Indes haben sich auch zahlreiche Intellektuelle und Politiker vor allem des Rassemblement National hinter die Bewegung gestellt. Der in Frankreich sehr bekannte Journalist Eric Zemmour bekundete: „Die Identitären sind Patrioten, die in einem feindseligen Umfeld tapfer ihre Werte verteidigen, ich bin auf ihrer Seite.“

Zehn Tage, die diesen Montag abend abliefen, hatte der von den konservativen Republikanern kommende Innenminister der Bewegung gegeben, Widerspruch einzulegen. Vordergründiger Auslöser für das geplante Verbot war eine spektakuläre Aktion gegen illegale Einwanderung an der französisch-spanischen Grenze. Im Januar postierten sich etwa 30 Identitäre auf einem Pyrenäenpaß, um – wie sie verkündeten – illegale Grenzbewegungen zu beobachten und den Behörden zu melden. 

Konkrete Straftaten werden den Aktivisten in diesem Zusammenhang nicht vorgeworfen. Aber vor dem Hintergrund des geplanten neuen „Gesetzes gegen die Separierung“ war es offenbar der Tropfen, der für die Regierung das Faß zum Überlaufen brachte. Innenminister Darmanin zeigte sich öffentlich „angewidert“ von der Aktion der Bewegung, die gerne mit dem Slogan „0% rassistisch, 100% identitär“ für sich wirbt. Einige Abgeordnete aus der Pyrenäen-Region bliesen sogleich ins selbe Horn und forderten die Auflösung dieser „gefährlichen und gewalttätigen Gruppierung Rechtsextremer“. Offenkundig will die Regierung dem jetzt nachkommen. 

Für den Anwalt der Identitären, Gilles-William Goldnadel, ist das dagegen nur ein Vorwand, die nach eigenen Angaben 2.800 Mitglieder starke Organisation zu verbieten. Gegenüber der Wochenzeitung Valeurs actuelles äußerte er: „Damit die Linke verzeiht, daß islamistische Organisationen aufgelöst werden, möchte man eine rechte Organisation verbieten.“ Juristisch wird es primär um die Frage gehen, ob Génération Identitaire zulässige Kritik an illegaler Einwanderung übt oder durch generelle Ablehnung von Einwanderung (aus bestimmten Ländern) zum „Rassenhaß“ aufrufe. Darüber hinaus steht die Anschuldigung im Raum, daß die Identitären eine „Miliz“ bilden würden, allerdings ohne daß man ihnen jemals Waffenbesitz unterstellt hätte. 

„Selbst der Innenminister äußert sich wie wir“

In einem über 20minütigen Youtube-Video kommentierte eine der Sprecherinnen der Bewegung, Thaïs d’Escufon, detailliert das siebenseitige Ankündigungsschreiben des Innenministeriums. Demnach handelt es sich bei den Vorwürfen gegen die Identitären im wesentlichen um eine Aufzählung spektakulärer Einzelaktionen der Bewegung, die für sich genommen entweder zu keiner Verurteilung führten oder lediglich Ordnungswidrigkeiten darstellten. Auch habe noch nie ein Identitärer etwas öffentlich geäußert, was nicht auch vom Rassemblement National oder gar vom Innenminister selbst so schon gesagt wurde, und damit legal sei. In Einzelfällen gemachte Gewaltvorwürfe seien der erklärt gewaltfreien Bewegung gegenüber dagegen nicht plausibel begründbar. Als Beleg diene hier lediglich der Besitz von Lambda-Aufklebern, die von der Bewegung hunderttausendfach verteilt würden. Eine belegbare Mitarbeit von Gewalttätern bei den Identitären gebe es dagegen nicht.