© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Epische Betrüger im Brüsseler Sumpf
Die EU und Kasachstan: Dubiose EU-Lobbyisten, Dissidenten-Oligarchen nehmen es nicht so genau mit kritischen Daten und Fakten
Michael Paulwitz

Mit Urteilen ist das EU-Parlament schnell bei der Hand. Die am 11. Februar verabschiedete Resolution 2021/0056 zur Menschenrechtslage in Kasachstan enthält neben Aufzählungen von Einzelfällen und eher abseitigen Beschwerden wie zu hoher Hürden beim Wechsel der „Genderidentität“ auch eine Personalie, die ein bezeichnendes Schlaglicht auf dubiose Lobby-Verflechtungen im Brüsseler Polit-Sumpf wirft.

Gleich zweimal taucht im Resolutionstext die Partei „Demokratische Wahl Kasachstans“ (QDT) und ihr Gründer und Anführer Mukhtar Ablyazov auf. Über letzteren ist lediglich zu erfahren, daß ihm am 29. September 2020 in Frankreich politisches Asyl gewährt wurde und er in seiner Heimat in Abwesenheit zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden sei.

Das unterschlagene Geld bleibt verschwunden 

Verurteilt wurde Ablyazov allerdings, aber wegen Mordes, weil er die Beseitigung seines Vorgängers an der Spitze der seinerzeit größten Bank des Landes, der Bank Turan Alem (BTA), in Auftrag gegeben haben soll. Auch ohne diese Anklage ist Ablyazov in seiner Heimat ein verurteilter Krimineller. 2017 erhielt er, ebenfalls in Abwesenheit, eine zwanzigjährige Haftstrafe wegen Geldwäsche und Veruntreuung von fast sieben Milliarden Dollar. 

Hintergrund ist der Zusammenbruch und die anschließende Notverstaatlichung der Bank Turan Alem, deren Vorstandsvorsitzender und faktischer Eigentümer Ablyazov nach dem mysteriösen Tod seines Vorgängers von 2005 bis 2009 gewesen war.

In dieser Zeit hatte Ablyazov einen Schaden von fast zehn Milliarden Dollar zu verantworten, hauptsächlich durch die Verschiebung von Milliardenbeträgen über Scheinkredite an ein Geflecht von Briefkastenfirmen und Pseudo-Immobilienfinanzierungen. Als der Betrug aufflog, floh Ablyazov nach Großbritannien, wo er mehrere Luxus-Immobilien besaß, und beantragte politisches Asyl.

Das wurde ihm rasch wieder entzogen. Auch vor britischen Gerichten wurde ihm der Prozeß gemacht. Weil er sich weigerte, sein Vermögen offenzulegen, wurde er wegen „Mißachtung des Ge-richts“ zu einer 22monatigen Haftstrafe verurteilt, der er sich durch abermalige Flucht nach Frankreich entzog. 

Der britische High Court fand den Oligarchen des „Betrugs in epischen Ausmaßen“ für schuldig und verurteilte ihn zu hohen Milliardenzahlungen. Sein Schwiegersohn und Helfer Ilyas Khrapunov, Sohn des korrupten ehemaligen Bürgermeisters von Almaty, Viktor Khrapunov, wurde ebenfalls zur Zah-lung von 500 Millionen Dollar an die BTA verurteilt.

Der Großteil des unterschlagenen Geldes bleibt verschwunden. Leidtragende sind nicht nur Zehntausende kasachische Bürger, die um ihre Ersparnisse geprellt wurden, sondern auch die „Royal Bank of Scotland“, die durch ihr Engagement bei der BTA-Bank fast zwei Milliarden an Pensionsfondsgeldern verlor.

In Frankreich tauchte Ablyazov zunächst in diversen Luxusanwesen im Süden unter, bis er 2013 auf Grundlage eines internationalen Haftbefehls festgenommen wurde. Die Auslieferung nach Rußland, wo er ebenfalls wegen Milliarden-Unterschlagungen gesucht wird, wurde im Dezember 2016 nach Intervention mehrerer EU-Abgeordneter vom Obersten Gericht gestoppt.

Vor diesem Hintergrund erhellt, warum Ablyazov sich als „letzte Verteidigungslinie“, als politisch verfolgter Oppositioneller inszeniert und 2017 die Partei QDT wiederbelebt hat. Schützenhilfe erhält er dabei nicht zuletzt von der fragwürdigen Nichtregierungsorganisation „Open Dialogue Foundation“ (ODF), die wahrscheinlich von ihm selbst lanciert und mitfinanziert wurde. 

In den vergangenen Jahren hat die „Open Dialogue Foundation“ im EU-Parlament eine Reihe von Veranstaltungen zur Menschenrechtslage in Kasachstan mit markanter Schlagseite mitorganisiert. Nicht nur Ablyazov selbst und seine Tochter, auch seine „rechte Hand“ als Chef der Bank Turan Alem, Botagoz Jardemalie, traten dort schon als Kronzeugen auf.

Die Organisation hat offenkundig ein Faible für Oligarchen, die ihr Dissidententum entdeckten. Ihre Finanzen sind undurchsichtig; eine polnische Zeitung deckte eine Spende der Familie Khrapunov auf, andere Spuren führen nach Moldawien, wo ODF sich für den wegen Geldwäsche verurteilten Oligarchen Veaceslav Platon einsetzte. Die „Stiftung“ erfreut sich höchster Rückendeckung, unter anderem durch den ehemaligen belgischen Premier Guy Verhofstadt, der dafür gesorgt haben soll, daß die in Polen mit Einreisesperre für den Schengenraum belegte ukrainische Präsidentin der ODF Lyudmyla Kozlovska eine Niederlassungserlaubnis in Belgien erhielt. 

Auch die jüngste Kasachstan-Resolution trägt die Handschrift der ODF. Botagoz Jardemalie, der Beteiligung an Ablyazovs Machenschaften vorgeworfen wird, taucht darin als „Anwältin und Menschenrechtsverteidigerin“ auf. Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah, Mitglied im Ausschuß für Internationalen Handel, findet dafür deutliche Worte: „Sie glauben lieber einem verurteilten Mörder und Betrüger, anstatt daß sie sich Daten, Fakten und die Realität anschauen.“

Zu der gehört, daß das öl- und rohstoffreiche Schwergewicht unter den zentralasiatischen Republiken unter seinem neuen Präsidenten Kassym-Jomart Tokajew behutsam auf Reformkurs geht. Zwar hält die Partei des ersten Präsidenten Nursultan Nasarbajew nach wie vor die Fäden in der Hand; bei den letzten Parlamentswahlen am 10. Januar mußte sie aber zehn Prozentpunkte abgeben. Parlamentarische Oppositionsrechte wurden gestärkt, die Todesstrafe abgeschafft und Schritte in Richtung auf mehr politischen Wettbewerb und Meinungspluralismus eingeleitet.