© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/21 / 26. Februar 2021

Frankreich – ein Nachbar am Rand des Bürgerkriegs
Keine Demokratie im strengen Sinn
(wm)

Pflichtschuldigst verurteilt Peter Schöttler „diese schrecklichen Morde“, denen jüngst der Pariser Lehrer Samuel Paty sowie Gottesdienstbesucher in Nizza zum Opfer fielen. Aber der als „Frankreich-Kenner“ geltender Historiker (TU Berlin) will darin keinesfalls die europäische Blutspur des Islams erkennen. Vielmehr sind ihm die Untaten „fanatisierter Moslems“, die „mit ihren rechtsradikalen Gegnern politisch und mentalitätsmäßig vieles gemeinsam haben“, Anlaß zur Generalabrechnung mit der „autokratischen“ Fünften Republik, ihrer semi-absolutistischen, daher abzuschaffenden De-Gaulle-Verfassung von 1958, die gar keine „parlamentarische Demokratie im strengen Sinn ist“ (Merkur, 2/2021). Darum habe dieses System, das den Präsidenten zum „König auf Zeit“ erhebe, „Fehlentwicklungen“ gezeitigt, zu deren gefährlichsten der von den Präsidenten Sarkozy, Hollande und Macron massiv betriebene „neoliberale Sozialabbau“ zähle. So entstand die tiefe Spaltung der Gesellschaft, die Frankreich nun an den Rand des Bürgerkrieges führe. Nicht der Islam oder die Masseneinwanderung hätten diese explosive Lage verursacht, sondern der von den Eliten forcierte „Klassenkampf von oben“, deren versagende Sozialpolitik „Islamisten“ züchte. Und auf deren Terror sie dann mit unzulässiger „Hetze gegen Muslime“ und „Kesseltreiben gegen Antirassisten“ reagierten. 


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