© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Ein Mann mit Agenda
Matthias Quent: Der Soziologe wird als Experte fĂĽr Rechtsextremismus gern gefragt / Grenzen objektiver Wissenschaft verschwimmen
Sandro Serafin

Nein, reden will Matthias Quent nicht. Nicht mit der JUNGEN FREIHEIT. Eine Anfrage für ein Gespräch lehnt der Spiegel-Bestseller-Autor unter Verweis auf die Ausrichtung der Zeitung ab. Dabei ist der promovierte Jenaer Soziologe sonst nicht auf den Mund gefallen. In den vergangenen Jahren ist er neben dem Politikwissenschaftler Hajo Funke oder dem Journalisten Olaf Sundermeyer zum wohl gefragtesten Gesprächspartner deutscher Medien geworden, wenn es um die Berichterstattung über Rechtsextremismus geht.

Vor allem linksorientierte Publikationen führen immer wieder Interviews mit Quent, räumen ihm Raum für Gastbeiträge ein oder zitieren seine Beobachtungen. Auffällig ist auch das große Interesse der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an dem Soziologen. Quent ist nicht nur in Talkshows sowie linken Magazinsendungen wie „Monitor“ oder „Report Mainz“ ein gerngesehener Gast, sondern tritt auch in den großen Nachrichtenmagazinen von ARD und ZDF auf. Sogar im Wallstreet Journal wurde er schon zitiert.

Ausgesprochen enges Demokratieverständnis

Quent, der 1986 in ThĂĽringen geboren wurde, hat schon jetzt einen steilen Aufstieg hinter sich. 2011 schloĂź er sein Soziologiestudium ab, in dem er sich bereits mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigt hatte. Im selben Jahr flog der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) auf. „Es gab dann die Möglichkeitsfenster, Forschung zu diesem Thema zu machen. Da gab es Geld, eine gewisse Aufmerksamkeit und Sensibilität fĂĽr das Thema“, erzählte Quent 2019 im Deutschlandfunk. Auch seine Sozialisation als Jugendlicher in der linksalternativen Szene dĂĽrfte bei der Themenwahl eine Rolle gespielt haben. Er und seine Freunde seien „immer wieder von Neonazis gejagt, ĂĽberfallen und verprĂĽgelt“ worden, schreibt Quent in seinem 2019 erschienenen Buch „Deutschland rechtsauĂźen“. 

Schnell wurde der junge Soziologe zum gefragten Gesprächspartner. Schon 2012 lud der NSU-Untersuchungsausschuß des Thüringer Landtags ihn – neben zahlreichen Professoren – als Sachverständigen ein. Später verfaßte er auch für den Bundestag ein Gutachten.

Quent versteht sich als „öffentlicher Rechtsextremismusforscher“. Er will in Gesellschaft und Politik hineinwirken. In einer Onlinediskussion machte er jĂĽngst sein Selbstverständnis als Vertreter einer – so wörtlich – „eingreifenden Wissenschaft“ deutlich. Dabei zeigte er sich ein Jahr nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum ThĂĽringer Ministerpräsidenten mit Stimmen von Union und AfD resigniert, daĂź er diesen Vorgang durch seine Warnungen vor einer Kooperation mit der AfD nicht hatte verhindern können. Quent will bewuĂźt parteiisch sein – „im Sinne des Grundgesetztes, der Menschenrechte und fĂĽr Demokratie“. Mit Parteipolitik habe das aber nichts zu tun, beteuert der Wissenschaftler, der nach eigenen Angaben selbst nie Mitglied einer Partei war. 

Auf politischer Seite scheinen sich für seine Arbeit heute aber vor allem Grüne, Linke und SPD zu interessieren, von denen er immer wieder zu Vorträgen geladen wird. Quent arbeitete in der Vergangenheit für die Linken-Abgeordnete Katharina König im Thüringer Landtag, die gute Verbindungen ins linksextremistische Milieu unterhält (JF 9/20). Er hat wiederholt im SPD-Blatt Vorwärts publiziert und auch im Antifaschistischen Infoblatt geschrieben.

In Quents Äußerungen und Thesen scheinen die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Objektivität und der Verfolgung einer politischen Agenda bisweilen zu verschwimmen. So bezeichnet er Querdenken-Demonstranten als „Solidarisierungsverweigerer“ und spricht von „Wut- und Haßbürgern, die ihr Kreuz bei der AfD machen“.

Der Soziologe vertritt einen ausufernden Rechtsradikalismus-Begriff auf der einen und ein ausgesprochen enges Demokratieverständnis auf der anderen Seite. In dem Podcast „Die Wochendämmerung“ merkte er 2019 an, daĂź es durchaus „legitime rechtsdemokratische und rechtskonservative Positionen“, etwa das Festhalten an kulturellen Traditionen, gebe. Gleichzeitig wies er jedoch darauf hin, daĂź „echter Konservatismus“ bereit sei, „sich zu öffnen“, und nannte als Beispiel dafĂĽr die EinfĂĽhrung der „Ehe fĂĽr alle“. DaĂź die CDU diese mittrug, sei keinesfalls Ausdruck eines Linksrucks, sondern „einer Demokratisierung im Sinne unseres Grundgesetzes“ gewesen. Schon das Festhalten an einem traditionellen Eheverständnis wäre nach dieser Ansicht undemokratisch. 

Auch in „Deutschland rechtsaußen“ finden sich viele solcher Passagen. Die 2016 erfolgte Änderung des Asylrechts etwa, durch die unter anderem Asylverfahren beschleunigt werden sollten, bezeichnet Quent als Umsetzung einer „Rechtsaußen-Forderung“. Auch den Medien wirft er vor, eine „Rechtsaußen-Agenda“ zu „reproduzieren“. Thilo Sarrazin erscheint als „Wegbereiter für die Entfesselung des autoritär-rassistischen Potentials“ und die „Gemeinsame Erklärung 2018“, die sich gegen „die illegale Masseneinwanderung“ wandte, als „Zwischenschritt“ beim „Schulterschluß der radikalen Rechten“. Quent vertritt das Geschichtsbild einer natürlichen Kosmopolitisierung und Liberalisierung. In der Konsequenz erscheint jede Kritik – ob an Gender, Feminismus oder Multikulturalismus – als Rückschlag gegen den „kulturellen Fortschritt“.

„Linke Kaderpolitik in Reinkultur“

Für seine Arbeit erhält Quent inzwischen massive Förderungen aus staatlichen Geldtöpfen. 2016 richtete die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen auf Betreiben der Linkspartei ein „Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft“ (IDZ) ein. Quent wurde Gründungsdirektor. Die AfD sprach damals von einer „Stasi 2.0“, auch unter Verweis auf die Trägerschaft der Amadeu-Antonio-Stiftung (siehe Betrag Seite 7). Für Verwirrung sorgte seinerzeit auch das von der Opposition als intransparent gescholtene Vergabeverfahren. Ein CDU-Abgeordneter wetterte gegen „linke Kaderpolitik in Reinkultur“. Das IDZ erhielt allein 2019 nach Regierungsangaben knapp 300.000 Euro aus dem „Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit“. Und seit dem vergangenen Jahr ist es auch am „Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ (FGZ) beteiligt, das vom Bund mit Millionensummen gefördert wird.