© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/21 / 05. März 2021

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Da schützt auch keine Maske
Paul Rosen

Es geht um Geld, um viel Geld sogar: 391 Milliarden Euro werden pro Jahr für die Gesundheit ausgegeben, was 4.712 Euro pro Einwohner entspricht. Wenn Milliardensummen fließen, ruft dies natürlich Lobbyisten auf den Plan, die von dem Geldstrom möglichst viel in die Kassen ihrer Auftraggeber umleiten wollen.

Als die Pandemie begann, waren Gesichtsmasken unentbehrlich, aber zugleich schwer zu haben. In dieser Zeit muß ein deutscher Hersteller oder Großhändler beim stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Georg Nüßlein angeklopft haben – wegen eines Masken-Großauftrags. Nützlich in diesem Zusammenhang war, daß der 51jährige CSU-Politiker aus dem Wahlkreis Günzburg-Neu-Ulm in der Unionsfraktion für die Gesundheitspolitik zuständig ist. Das bedeutet: Gegen Nüßlein geht im Bundestag auf diesem Feld nichts, mit ihm allerdings viel. Im Ministerium von Jens Spahn geht er ein  und aus.

Und dabei leitete Nüßlein – wie inzwischen von Spahns Ministerium bestätigt wurde – ein Angebot einer Masken-Firma an das Gesundheitsressort weiter. Die Lieferung kam zustande, auch wenn der Vertrag wegen angeblicher Qualitätsprobleme bis heute noch nicht vollständig abgewickelt worden sein soll. Und hier beginnt die Geschichte unappetitlich zu werden. Nüßlein wird vorgeworfen, die Hand aufgehalten zu haben. Angeblich 600.000 Euro Beraterhonorar soll der „Masken-Mann“ (Spiegel) im Zusammenhang mit seinen Vermittlungsaktivitäten kassiert haben.

Büronachbarn im Bundestag staunten jedenfalls nicht schlecht, als zahlreiche Polizeibeamte die Gänge vor Nüßleins Büroräumen komplett absperrten und die Räume nach Beweismaterial durchsuchten. Zugleich wurde das Privathaus des Abgeordneten in Münsterhausen im Landkreis Günzburg durchsucht. 

Drei Abgeordnete waren Zeugen, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist. Kurz zuvor hatte der Bundestag die Immunität von Nüßlein aufgehoben. Solche Immunitätsaufhebungen sind nicht ungewöhnlich – es reicht schon eine Trunkenheitsfahrt. Ungewöhnlich ist aber auf jeden Fall der Umfang der folgenden Aktion. Selbst langjährige Beobachter können sich nicht an einen so massiven Polizeieinsatz im Parlament erinnern. Insgesamt wurden in Deutschland und Liechtenstein 13 Objekte durchsucht.

Nüßlein hatte 2002 den Wahlkreis vom früheren CSU-Vorsitzenden und Finanzminister Theo Waigel übernommen. Dessen Schuhe waren für den Diplom-Kaufmann und früheren Banker jedoch viel zu groß. Nüßlein machte weniger durch Politik, sondern mehr durch seine Nebengeschäfte von sich reden. Als er gemeinsam mit dem TV-Sternchen Verona Pooth ins Geschäft mit Damen-Unterwäsche einstieg, fing er sich in der CSU-Landesgruppe schnell den Spitznamen „Strapse-Schorsch“ ein. 

Zu den aktuellen Vorwürfen ließ Nüßlein über seinen Anwalt nur verlauten, sie seien „haltlos“. Sein Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender läßt er dennoch erst einmal ruhen.