© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Streit innerhalb der SPD um Identitätspolitik
Nicht mehr zu bändigen
Jörg Kürschner

SPD-Kanzler Helmut Schmidt schleuderte seinen Genossen 1974 auf einem Parteitag entgegen: „Ihr beschäftigt euch mit der Krise des eigenen Gehirns statt mit den ökonomischen Bedingungen.“ Bald 50 Jahre später wünschte man der 1863 gegründeten ältesten deutschen Partei einen kühlen Rationalisten wie „Schmidt-Schnauze“, der die irrationalen Kräfte in der SPD bändigte. Denn linke Identitätspolitik, mit der unterschiedlichste Interessengruppen vermeintliche Diskriminierungen beklagen, gewinnt auch bei den Sozialdemokraten die Oberhand. 

Was den geharnischten Widerspruch des SPD-Altvorderen Wolfgang Thierse und prompt die Distanzierung seiner Co-Parteichefin Saskia Esken vom „rückwärtsgewandten Bild“ des 77jährigen über sexuelle Minderheiten hervorrief. Der Streit berührt ein gesamtgesellschaftliches Problem, denn Randgruppen gerieren sich als Diskussionsverweigerer, um den Korridor der „erlaubten“ Meinungen zu verengen. Dazu gehört „intersektioneller Feminismus“, nicht aber migrantische Deutschfeindlichkeit.

Die Dauer-Opfer nutzen die Politische Korrektheit; zu Lasten der Meinungsfreiheit, zugunsten einer kulturellen Unterwerfung. Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (CDU) ignoriert das Thema beharrlich, Thierse spricht es offensiv an. „Nation ist eine Realität.“ Eine „elitäre Dummheit“ sei es, dies zu leugnen. Respekt, Wolfgang Thierse!