© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

„Ständig gegen Altlasten ankämpfen“
Auch für den rheinland-pfälzischen Spitzenkandidaten Michael Frisch ist im Wahlkampf das größte Hindernis nicht der politische Gegner, sondern die Krise der Partei
Moritz Schwarz

Herr Frisch, die AfD-Fraktion Rheinland-Pfalz hat, im Gegensatz zu der in Baden-Württemberg, in den vergangenen vier Jahren fast mustergültig gearbeitet. 

Michael Frisch: Wir sind in dieser Legislaturperiode sogar die wahrscheinlich fleißigste Landtagsfraktion überhaupt! Denn pro Abgeordnetem haben wir die meisten Anfragen, Anträge und Gesetzentwürfe im Mainzer Landtag eingebracht – und der wiederum war in den letzten Jahren das fleißigste Landesparlament Deutschlands. Wir konnten darüber hinaus, obwohl nur Oppositionsfraktion, einige wichtige Entwicklungen anstoßen: etwa die Debatte über die Abschaffung der bürgerunfreundlichen Straßenausbaubeiträge oder die Einführung der kostenfreien Meisterausbildung. Leider wurde kaum etwas davon in den Medien angemessen wiedergegeben.

Dennoch liegen Sie in den Umfragen mit 9 Prozent sogar noch weiter hinter Ihrem Ergebnis von 2016 (12,6 Prozent) zurück als Ihre Stuttgarter Chaos-Kollegen mit 12 statt 15 Prozent. Wie ist das zu erklären?

Frisch: Damit, daß die Verluste nichts mit Landespolitik zu tun haben, sondern neben Corona vor allem auch auf innerparteiliche Entwicklungen zurückgehen. 

Also ist Ihr Hauptproblem nicht der politische Gegner, sondern daß die Bundespartei ihre Krise nicht in den Griff bekommt?

Frisch: Ein Stück weit ja. Allerdings hat Jörg Meuthen zuletzt sehr viel dafür getan, die Partei auf einen soliden bürgerlichen Kurs zu bringen. Wobei ich die Probleme nicht nur auf eine Ursache zurückführen würde. Ein Grund sind sicher manche unbedachte oder tatsächlich inakzeptable Äußerungen von Parteikollegen, die von den Medien instrumentalisiert werden konnten. Andererseits schadet uns auch die innerparteiliche Kritik, die darauf folgt und das Bild der Uneinigkeit, das daraus in der Öffentlichkeit entsteht. Nach meiner Auffassung resultiert der größere Schaden allerdings aus den problematischen Äußerungen. Ich komme deshalb zu diesem Schluß, weil vor allem hier die Kritik ansetzt, die wir von vielen Bürgern hören – auch von solchen, die uns inhaltlich nahestehen. Man kann sich kaum vorstellen, wie unendlich schwierig es ist, ständig gegen diese Altlasten – etliche Äußerungen sind ja Jahre alt – ankämpfen zu müssen! Und wie sehr uns das daran hindert, die eigentlich wichtigen Themen zur Sprache zu bringen. Übrigens zur großen Freude unserer politischen Gegner und vieler Journalisten.

Ihr Kollege Bernd Gögel schildert, daß Corona im Wahlkampf fast alle anderen Themen verdrängt. Erleben Sie das auch so?

Frisch: Weitgehend ja. Deshalb bin ich froh, daß wir nach einer längeren Zeit der innerparteilichen Kakophonie endlich eine einheitliche Linie zu diesem Thema gefunden haben: Risikogruppen maximal schützen, um den Lockdown sukzessive aufheben zu können. Das scheint mir auch genau das zu sein, was die meisten Bürger wollen. Ansonsten kann ich Bernd Gögel nur zustimmen: es ist fatal, daß Corona existentielle Zukunftsthemen verdrängt. Eigentlich wollten wir hier im Wahlkampf Familien- und Bildungspolitik in den Mittelpunkt stellen, da Bildung die einzige Ressource Deutschlands ist und es unsere Zukunft gefährdet, wenn wir dort so zurückfallen wie zuletzt. Und weil Familienpolitik die einzige Möglichkeit ist, die demographischen Probleme bei der Rente und beim Fachkräftemangel langfristig zu beheben.

Was ist mit der Verfassungsschutzproblematik, gefährdet die Ihren Wahlerfolg?

Frisch: Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht. Selbst wenn das Verwaltungsgericht Köln die Beobachtung nicht wieder aufgehoben hätte. Denn wir haben in Rheinland-Pfalz eine Kernwählerschaft von acht Prozent, die uns aus Überzeugung wählt. Und ob sich die drei, vier Prozent darüber hinaus, die sich vielleicht abschrecken lassen könnten, wegen dieser Sache tatsächlich von uns abwenden, bezweifle ich doch sehr. Zumal immer mehr Wähler diese konzertierte Aktion von Altparteien, Verfassungsschutz und Teilen der Medien durchschauen.

Also alles kein Problem? 

Frisch: Natürlich nicht! Aber Sie fragten eben ja nur nach der Bedeutung für diese Wahl. Und die ist ja nicht die einzige Stoßrichtung des Verfassungsschutzes. Er zielt auch auf unsere Partei an sich, die er beschädigen will, indem bestimmte Berufsgruppen unter Druck geraten, bei einer Beobachtung auszutreten.

Kann man diese, etwa Beamte, Juristen etc. nicht durch andere Mitglieder ersetzen? 

Frisch: Ohne eine Berufsgruppe herausheben zu wollen, ist zu befürchten, daß dann Menschen die Partei verlassen, deren Kompetenzen dringend gebraucht werden. Auch bei uns verfügt nur ein Teil der Mitglieder über bestimmte Qualifikationen. Wird dieser Teil aus der Partei vertrieben, hat das auf Dauer katastrophale Folgen. Schon jetzt kostet uns der soziale Druck viele gute Leute. Ich lese ja die Austrittsschreiben: Immer wieder gehen gute Mitglieder, die nicht mehr mitmachen können, weil sie sonst Arbeitsstelle, Karriere, Kundschaft oder gar ihre Familie riskieren. Die AfD-Parteifreunde, die früher bei den Republikanern waren, warnen uns eindringlich davor, diese Gefahr auf die leichte Schulter zu nehmen und so in die Falle zu gehen. Genau davon träumt nämlich der Verfassungsschutz: daß die eine Hälfte austritt und die andere Hälfte sich mit einer Beobachtung dauerhaft abfindet.

Sie sind vor Jahren von der CDU zur AfD gewechselt, warum? 

Frisch: Das ist eine Fehlinformation, die aus Wikipedia stammt. Ich bin christlich, bürgerlich und konservativ geprägt und war deshalb zwar lange CDU-Wähler, aber ich war nie Mitglied! Unter Merkel hat mich die CDU dann „verlassen“, weil sie immer weiter nach links gerückt ist. In der AfD habe ich eine neue politische Heimat gefunden. Dabei war es eigentlich nie meine Absicht, politische Karriere zu machen, geschweige denn Abgeordneter oder gar Spitzenkandidat zu werden. Doch irgendwann wurde ich gefragt, ob ich diese Funktionen übernehmen könnte. Und als Konservativer und Christ bin ich davon überzeugt, daß man nicht kneifen darf, wenn man in die Pflicht genommen wird! Ich glaube aber, daß sich der Einsatz lohnt: Wir werden am Sonntag zehn Prozent plus X erreichen.       






Michael Frisch, ist Spitzenkandidat, Landesvorsitzender und Landtagsmitglied der AfD in Rheinland-Pfalz. Geboren wurde der Gymnasiallehrer für Mathematik und Religion 1957 in Trier.

 www.michaelfrisch.de

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