© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Mainz bleibt ihrs
Landtagswahl II: Auch in Rheinland-Pfalz stehen die Zeichen nicht auf Machtwechsel / Regierungschefin Malu Dreyer von der SPD holt im Schlußspurt auf
Christian Schreiber

Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ist wie die in Baden-Württemberg die erste, die unter dem Einfluß der Corona-Pandemie durchgeführt wird. Entsprechend schwierig und anders gestaltete sich für die Parteien der Wahlkampf. Die Bewerber setzten verstärkt auf Plakate und weiteten ihre Online-Aktivitäten aus. Obwohl die SPD seit nunmehr 30 Jahren ununterbrochen in Mainz regiert, ist die Wahl für Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kein Selbstläufer. Den Umfragen zufolge hätte die Ampelkoalition aus Sozialdemokraten, Grünen und FPD zwar weiterhin eine Mehrheit, doch der SPD drohen vor allem Verluste zugunsten der Grünen. 

Die AfD, die vor fünf Jahren auf dem Höhepunkt der Zuwanderungsdebatte ein sensationelles Ergebnis von 12,6 Prozent erzielte, muß mit Einbußen rechnen. In den letzten Erhebungen vor der Wahl lag die Partei bei rund neun Prozent. Allerdings legte die Partei auch 2016 am Wahltag noch einmal ordentlich zu. Aber: Der hohe Anteil an Briefwählern dürfte der AfD nicht unbedingt in die Karten spielen. Der bisherige Fraktionschef Uwe Junge tritt nicht wieder zur Wahl an. Er hatte, auch unter dem Eindruck der Querelen in der Bundespartei, angekündigt, sich aus der Politik zurückzuziehen.

Überraschungserfolg für die Freien Wähler?

Während die Linkspartei wohl keine realistischen Aussichten auf einen Parlamentseinzug haben dürfte, wird das Abschneiden der Freien Wähler (FW) mit Spannung erwartet. Mit dem populären Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Joachim Streit, verfügt die Partei, über einen bekannten und eloquenten Spitzenkandidaten. „Nach 30 Jahren SPD-Führung sehnen sich die Menschen nach einer neuen Kraft“, sagte Streit, der sich von der AfD abgrenzt, aber dennoch in ihren Gewässern fischt. „Wir sind eine Partei der bürgerlichen Mitte. Aber natürlich setzen wir auf die Stimmen der vielen Enttäuschten in diesem Land“, meinte der Landrat. Überspitzt formuliert könnte man die FW als Anti-Corona-Liste bezeichnen. Der Spitzenkandidat hat sich auffällig häufig bei frustrierten Gastronomen und Mittelständlern blicken lassen. Menschen, die „einen Hals“ auf die Corona-Politik in Mainz und Berlin haben, denen die AfD aber als zu rechts erscheint. Schon gibt es Spekulationen, die in Umfragen bei vier Prozent rangierenden Freien Wähler könnten das Zünglein an der Waage spielen und gemeinsam mit CDU und FDP eine neue Regierung bilden. Eine Beteiligung an der Ampel, quasi als Nachfolger der SPD, hat Streit jedenfalls bereits ausgeschlossen: „Wir Freien Wähler werden nicht das Ersatz-Orange in einer Ampel sein.“

Doch für einen Machtwechsel fehlt es vor allem der oppositionellen CDU an Kraft. Zwar lag die Partei um den Spitzenkandidaten Christian Baldauf noch vor einem Jahr deutlich in Führung. Doch dieser Vorsprung ist längst aufgebraucht. Zuletzt lagen SPD und CDU jeweils um die 30-Prozent-Marke. Allerdings zogen die Werte für Dreyers Partei an, während die Zustimmung für die Union eher abnahm. Baldauf setzte in der letzten Wahlkampfphase auf Corona-Lockerungen, kündigte für den Fall seines Wahlsieges an, in jeder Kommune ein Testzentrum einzurichten, um die Öffnung von Gastronomien, Fitneßstudios und Sportvereinen zu ermöglichen. 

Die Skandale um CDU-Politiker, die auf Bundesebene beim Verkauf von Schutzmasken offenbar mitkassiert haben, erschwerten den Wahlkampf der Christdemokraten zusätzlich. Baldauf präsentierte sich umgehend als Mann der harten Hand und forderte einen Mandatsverzicht der betroffenen Bundestagsabgeordneten. Doch die Erfolgsaussichten sind ziemlich ungewiß geworden. Zwar gilt die SPD in Rheinland-Pfalz als machtversessen und skandalumwittert, doch Ministerpräsidentin Dreyer ist äußerst beliebt. Schon werden Erinnerungen an 2016 wach. Auf der Zielgerade scheint der Regierungschefin wieder die Wende zu gelingen – wie schon vor fünf Jahren gegen CDU-Frau Julia Klöckner. 

Auf Zugewinne hoffen auch die Freien Demokraten, die derzeit mit Volker Wissing den Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten des Landes stellen. Doch den neuen Generalsekretär der Bundespartei zieht es wieder in den Bundestag, er führt die Landesliste für den kommenden Herbst an. Als Nachfolgerin geht seine Staatssekretärin Daniela Schmitt ins Rennen. Sie hat keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Fortführung der Ampelkoalition wäre aber auch für andere Optionen offen. 

Doch dafür müßte die CDU stärkste Partei werden. Profitieren vom Bundes-trend sollten auf jeden Fall die Grünen, für die Rheinland-Pfalz bisher eher ein schwieriges Pflaster war. Vor fünf Jahren schafften sie es mit Ach und Krach gerade so ins Parlament. Diesmal stehen die Aussichten eher auf zweistelliges Ergebnis. Im Falle eines deutlichen Zuwachses dürften die Grünen auch personell allerdings größere Ansprüche stellen als noch 2016.