© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Grüße aus Santiago de Cuba
Vaterland und Freiheit
Alessandra Garcia

Drei Worte begeistern ein ganzes Land: Patria y Vida. Fast alle Kubaner kennen inzwischen dieses Lied, in dem es heißt: „Keine Lügen mehr, mein Volk bittet um Freiheit, nicht um Belehrung. Laßt uns nicht länger Heimat oder Tod rufen, sondern Heimat und Leben.“ Wenn es erklingt, wiegen Weiße ebenso ihre Hüften wie Schwarze, während die Älteren sich den Text leise zuraunen, singen ihn Jugendliche ohne Angst. Über eine Million Menschen haben innerhalb von drei Tagen das Musikvideo auf Youtube angeklickt, darunter Präsident Díaz-Canel. 

Der ist alles andere als erfreut über die sechs rappenden Künstler. Der Staatschef übte heftige Kritik und machte deutlich, daß auf Kuba weiterhin Fidel Castros alter Kampfspruch zu gelten habe: „Vaterland oder Tod. Wir werden siegen.“ Die Parteizeitung Granma und das staatliche Fernsehen schmähten da schon die populären Musiker als „Ratten“. Das „in Haß getränkte Lied“ mache sich über all das lustig, was das revolutionäre Kuba ausmache. Die Künstler würden eine US-Invasion fordern. Ex-Kulturminister Abel Prieto bezeichnete sie als „traurigen Chor von Annexionisten, der das eigene Land angreife“.

Fast scheint es so, als bringe ein einziges Lied die kommunistische Diktatur ins Wanken.

Tatsächlich ist das Video in den USA produziert worden. Rapper Maykel Osorbo hatte den Song auf Kuba eingespielt und den dort Kultstatus genießenden Reggeatón-Sängern Gente de Zone zugeschickt, die diesen mit den Sängern und Produzenten Yotuel Romero und Descemer Buena mixten. Die Granma bescheinigte dem Gassenhauer daraufhin „nicht den geringsten Hauch an Geist und Witz, noch nicht einmal einen Funken an Intelligenz“ zu besitzen. Auch würden keine Argumente aufgeführt, sondern „eine Litanei von Allgemeinplätzen des antikubanischen Diskurses“ angehäuft. 

Die heftige Staatskritik macht aber „Patria y Vida“ erst richtig populär. Fast scheint es so, als bringe ein einziges Lied die kommunistische Diktatur ins Wanken. Das Video zeigt nicht nur wie Polizisten auf Oppositionelle einprügeln, sondern bedient sich auch einer doppeldeutigen Sprache: „Tú cinco nueve, yo doble dos“ (Ich habe fünf und neun, du zweimal zwei) spielt auf eine aussichtslose Lage im Domino an. Interpretiert wird es aber auch in bezug auf das Jahr des Sieges der Revolution 1959 und der prognostizierten Niederlage 2022. Der Kartendienst Google Maps änderte prompt den Namen des Revolutionsplatzes in Havanna in Platz der Freiheit.