© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Aufgelöst, aber ungebrochen
Frankreich: Innenminister Darmanin verbietet die Génération identitaire / Diese will das Verbot bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen
Friedrich-Thorsten Müller

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin machte seine Ankündigung wahr. Mit Wirkung zum 3. März wird die Organisation Génération identitaire aufgelöst. Wie Regierungssprecher Gabriel Attal äußerte, habe die Organisation „die Brücken zur Republik abgebrochen“ und „verteidige nicht länger Ideen, sondern ist zum bewaffneten Arm von Extremismus und Fremdenfeindlichkeit geworden.“

 In dem ausführlich begründeten Erlaß wurde der Gruppe mit Sitz in Lyon erwartungsgemäß vor allem „Haßrede zur Diskriminierung und Gewalt gegen Individuen aufgrund ihrer Herkunft, Rasse oder Religion“ vorgeworfen. Mit Bezug auf ein Gesetz von 1936 wurde sie außerdem als verbotene „private Miliz“ eingestuft, obwohl bei ihr niemals Waffen gefunden wurden.

Wie Clément Martin, einer der Sprecher der Organisation, gegenüber dem Monatsmagazin incorrect betonte, beginnt damit nun „nach dem Aktivismus die juristische Schlacht“. Dafür stünden, wie darüber hinaus Thaïs d’Escufon, eine weitere Sprecherin, mitteilte, bereits mehrere Juristen bereit.

 Als ersten Schritt kündigte Martin an, gegen den Auflösungserlaß Widerspruch vor dem Staatsrat einzulegen. Ziel sei es, bis zu einem endgültigen richterlichen Beschluß handlungsfähig zu bleiben. Weitere Schritte gehen in die Richtung, die allgemeine Verfassungsmäßigkeit der Auflösung von Organisationen in Frage zu stellen. Schließlich gebe es keinerlei Sanktionsebenen unterhalb des Verbots, was hier besonders schwer wiege, da Génération identitaire noch nie für eine ihrer Aktivitäten juristisch belangt wurde. Aus diesem Grund sei auch der Vorwurf des Aufrufs zur Diskriminierung völlig willkürlich, denn dies hätten in der Vergangenheit bereits Gerichte in Prozessen aufgrund von Einzelaktionen feststellen können und müssen, um dies zum Gegenstand eines Verbotsverfahrens zu machen. 

Accountsperren sorgen für heftigen Unmut

Laut Thaïs d’Escufon bereite man sich darauf vor, zur Not sogar bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu gehen.

Indes unternahmen die Mitglieder der Organisation am Tag ihres Verbots eine vorerst letzte spektakuläre Aktion: Sie versuchten an einer Pariser Brücke ein großes Spruchband mit dem  Slogan „Man kann eine Generation nicht auflösen“ zu entrollen, wurden daran aber von der Polizei gehindert.

Währenddessen nähert sich eine auf der Online-Plattform „France-Petition“ schon vor Wochen gestartete Petition gegen das Verbot von Génération identitaire der Schwelle von 35.000 Unterzeichnern. In der Begründung für die Petition wird ausdrücklich hervorgehoben, daß der Auslöser für das Verbot, die öffentlichkeitswirksamen Patrouillien an der spanischen Grenze, keine Straftat darstellten. Man habe lediglich den Nachweis erbringen wollen und erbracht, daß die von Innenminister Darmanin verordnete Grenzschließung dort Anfang Januar aufgrund terroristischer Bedrohung in Wahrheit nicht erfolgt sei. Parallel dazu verweist die Petition  darauf, daß im Gegenzug lediglich 9 der 132 als islamistisch eingestuften Moscheen vom Innenministerium geschlossen worden seien. 

Im Schatten des Verbots wird in Frankreich indes eine weitere, damit zusammenhängende Debatte geführt: Der Europaabgeordnete Jordan Bardella (Rassemblement National, RN) beklagte sich über die „Zensur durch Facebook“. So sei sein Post zur Verteidigung der Meinungsfreiheit auch der Identitären gelöscht worden. 

Ähnlich äußerte sich die Le Pen-Enkelin und frühere RN-Abgeordnete Marion Maréchal, deren Twitter-Account sogar gesperrt worden sei, weil sie die Online-Petition gegen das Verbot der Identitären unterstützt hatte.