© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Dorn im Auge
Christian Dorn

Bücherverbrennung war gestern, schließlich ist unter allen Umständen die CO2-Bilanz zu reduzieren. Nur bei den „Spätzündern“ der Antifa scheint sich das noch nicht herumgesprochen zu haben. Geradezu vorbildlich agiert hier die vom Geist der Politischen Korrektheit erfüllte Berliner Buchladen-Kette „Buchbox!“ Entsprechend beschränkt, wie der Name, wirkt auch der literarische Horizont des Personals: „Den Titel verkaufen wir nicht. Sie können das ja direkt beim Verlag bestellen.“ Künstler D. aus dem Café der Sowjetzone, der „Das Atelier“ von Uwe Tellkamp haben wollte, akzeptiert das sogleich und sagt: „Wieso, eigentlich haben die ja recht, ich könnte den Titel ja direkt bei dieser ‘Nazibuchhändlerin’ in Dresden kaufen – aber jetzt habe ich auch keine Lust mehr dazu.“ Das ist Nudging at its best! Hier ebenfalls auf dem Index stehen – wie früher schon Akif Pirincci – die Werke von Monika Maron, Ulrich Schacht, Jörg Bernig oder Bernd Wagner, die in der „Exil“-Reihe der Edition Buchhaus Loschwitz erschienen sind. „Ganz nebenbei“ wird dann aber doch, weil es gut geht, die gerade auf deutsch erschienene Autobiographie von Woody Allen verkauft. Der Künstler hatte schon befürchtet, ihm würde auch dieser Titel wegen des #metoo-„Dispositivs“ verwehrt. Doch das „Foucaultsche Pendel“ der politisch-korrekten Rotation hält sich hier zurück. Stattdessen sagte der Verkäufer nur: „Das müssen Sie haben, das ist total lustig.“ Nicht mehr lange, denke ich, und überlege augenblicklich: „‘Rote Lippen soll man küssen’“ / – so was wirst du melden müssen!“ 


Währenddessen sind die seit 2015 illegal eingereisten Immigranten zumindest begrifflich ganz verschwunden: Zunächst schlüpften sie durch den Rahmen (sprich: „Framing“) des „Flüchtlings“ über die Grenze, dann blieb aber auch diese Hülle leblos zurück, da sie – über die Präsens-Station „Flüchtende“ – weitergeflohen sind, um schließlich im Partizip II als „Geflüchtete“ eine Heimstatt zu finden. Doch auch das ist offenbar Geschichte. Wie eine Ameisen-Armee wirken die abends durch die Straßen strampelnden Fahrradkuriere diverser Essenslieferanten („Wolt“, „Lieferando“, „foodora“, „Gorilla“ etc.), die sich offenbar ausschließlich aus zugewanderten „Fachkräften“ rekrutieren. Sie rasen vorbei an den überall angebrachten Losungen „#Berlin AgainstBorders“. Ich denke: Orders. Im Café des Westsektors rüstet man sich derweil für den Maskenball, dort werden jetzt FFP2-Masken verkauft, direkt importiert aus Wuhan. Wie geht es weiter? Am Wegesrand ausgesetzt der Buchtitel von Eugen Ruge: „‘In Zeiten abnehmenden Lichts’ / Sozialismus verklärt. Sonst nichts.“