© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 11/21 / 12. März 2021

Den digitalen Raum besetzen
Etablierte und alternative Medienangebote kämpfen auf Instagram und Co. um die Gunst der Jugend
Zita Tipold

Wer junge Menschen erreichen will, muß in deren Räume vordringen und Inhalte gezielt plazieren. Politische und gesellschaftliche Gefechte finden heute vermehrt im digitalen Raum statt. Immer mehr Menschen nutzen soziale Medien als Ressource für nachrichtliche und politische Informationen. Damit mischen sie die Print- und TV-Medien auf, die sich zunehmend neu ausrichten müssen, um relevant zu bleiben. Rund 56 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 24 Jahren machten im vergangenen Jahr von Nachrichtenangeboten in den sozialen Medien Gebrauch, wie der jährliche Reuters Institute Digital News Report ergeben hat. 2019 waren es noch 50 Prozent gewesen. 

Die einstigen Social-Media-Spitzenreiter WhatsApp und Facebook sind von Konkurrenz umzingelt, denn jüngere Plattformen gewinnen unablässig an Bedeutung. So löste Instagram Facebook im vergangenen Jahr als beliebtestes Netzwerk ab. Rund 68 Prozent der Deutschen im Alter von 14 bis 29 Jahren nutzten die App laut einer gemeinsamen Online-Studie des ARD und ZDF 2020 sogar täglich. Maßgeblich für diese neue Rolle ist ein optimierter Gestaltungsspielraum, den der Onlinedienst geschaffen hat. 

Instagram ist längst nicht mehr nur ein digitales Fotoalbum. Die App hat einen genauen Blick auf ihre Konkurrenz geworfen und mehrere erfolgreiche Funktionen in das eigene System integriert (JF 29/20). „Stories“, Livestreams, „Reels“ oder „Instagram-TV“ ermöglichen eine abwechslungsreiche Präsentation von Bewegtbild-Inhalten mit diversen Effekten wie musikalischer Untermalung oder auffälligen Filtern auf mobilen Endgeräten. Die Nutzer haben außerdem die Möglichkeit, Beiträge zu kommentieren, zu speichern, zu versenden oder auf ihrem eigenen Profil zu teilen. Daraus ergibt sich ein temporeiches Zusammenspiel aus Optik, Unterhaltung und Interaktion, das großes Potential birgt. Wer diese Funktionen für sich nutzt und den digitalen Raum besetzt, dringt in die alltägliche Sphäre zahlreicher junger Menschen vor.  

ARD-„Tagesschau“ ist medialer Spitzenreiter

Das hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk verstanden, der mit verschiedenen Formaten bei Instagram, TikTok und Co. vertreten ist. Die crossmediale Präsenz zahlt sich aus: Im vergangenen Januar konnten die ARD-„Tagesschau“ sowie das ZDF mit 28 beziehungsweise 17 Millionen Shares, Likes und Kommentaren die höchsten Interaktionsraten in den sozialen Medien verzeichnen, berichtet die Medienfachzeitschrift Horizont. Vor allem ihr Content-Netzwerk Funk konzentriert sich verstärkt auf Inhalte, die explizit für Instagram produziert werden. Ein besonders erfolgreicher Kanal ist Deutschland3000. „Politik nicht da, wo sie gemacht wird – sondern da, wo sie ankommt“, heißt es auf dem Profil mit über 106.000 Followern. Dort geht es um die altbekannten Lieblingsthemen der Öffentlich-Rechtlichen: Diskriminierung, Klimaschutz und Kapitalismuskritik. Das Ganze ist plakativ aufgemacht. So wirft ein Beitrag etwa die Frage auf, „Wie sexistisch bist du?“ Ein anderer beschäftigt sich mit dem Thema „Rassismus stoppen“. Doch die GEZ-Medien beschränken sich nicht nur auf neue Formate, sondern entstauben auch Nachrichten-Klassiker wie die ARD-„Tagesschau“. 

Diese veröffentlicht regelmäßig Kurzvideos bei der chinesischen App TikTok. Dort präsentiert sie Moderatoren wie Jens Riewa oder Judith Rakers als locker-lustige Kultfiguren einer vermeintlich ganz und gar nicht spießigen Nachrichtensendung. Und das ziemlich erfolgreich. Allein auf TikTok folgen über 757.000 Menschen dem Kanal der „Tagesschau“ (Instagram 2,8 Millionen). Alle großen deutschen Zeitungshäuser von Bild bis Spiegel und alle TV-Sender bauen ihre Präsenz auf Instagram aus. So startete der WDR beispielsweise den Account „Klima.neutral“, dem der FDP-Bundestagsabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff „Wahlkampfhilfe für die Grünen“ vorwarf. Solche „etablierten“ Kanäle stehen jenen gegenüber, die Inhalte von einer politisch oppositionellen Sichtweise beleuchten wollen und die Deutungshoheit regierungsnaher Angebote in Frage stellen. In ihrem „David gegen Goliath“-Kampf stoßen sie auf gleich mehrere Hindernisse. Besonders rechtskonservative Projekte haben es schwer gegen die Rundfunkbeitrag-gesättigten Kanäle der Öffentlich-Rechtlichen. Allein in diesem Jahr verfügt Funk über ein Budget von 44,7 Millionen Euro. Aus dem politisch rechten Spektrum hingegen wird kein einziges Format mit GEZ-Geldern gefördert. Diesen mangelt es nicht nur an finanzieller Unterstützung, sondern vorwiegend an Gestaltungsspielraum in Sachen freier Meinungsäußerung. Das Damokles-Schwert der Zensur schwebt allgegenwärtig über denen, die sich weigern, sich dem progressiven Dogma der BigTech-Firmen zu unterwerfen. Gleichwohl ist eine drohende Löschung nicht die einzige Herausforderung für alternative Medienangebote. 

Diese haben auch mit regelrechten „Kampagnen“ gegen sie zu kämpfen. So warnte Zeit Campus vor „Coronamythen auf Instagram“ und stellte fest: „Das einst als harmlos geltende Bilder-Netzwerk ist längst politisch.“ Bereits vergangenen Herbst titelte das selbsternannte Recherchebüro Correctiv, das für Facebook als Faktenchecker tätig ist, „Kein Filter für Rechts“ und warnte vor „Emojis als Reichsflagge, Hashtags wie #heimatverliebt und AfD-Politikern“.Ein weiterer Drahtzieher ist die Amadeu-Antonio-Stiftung. Sie „überwacht“ die sozialen Medien auf angeblichen Rechtsextremismus. Mit ihrem neuen Projekt „Demokratiktok“ möchte sie passend zum „Superwahljahr 2021“ entsprechende Beiträge und Akteure auf der Video-App ausfindig machen. Auch die Nutzer stehen somit unter ständiger Beobachtung und jedes „Like“ kann am Ende zu „Kontaktschuld“-Vorwürfen führen. Das schreckt ab. Die immer strikter werdenden Maßnahmen im Kampf gegen vermeintliche „Haßkriminalität“ im Netz haben das rechtskonservative Medienangebot spürbar ausgedünnt. 

Rechte Projekte leben von Solidarität 

Doch immer wieder brechen neue Kanäle wie Schneeglöckchen durchs Eis. „Gerade in den sozialen Medien haben es Projekte gegen die Massenkultur schwer“, schildert die AfD-Politikerin Marie-Thérèse Kaiser gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Die junge Frau wirkt bei mehreren politischen Projekten in den sozialen Medien mit. „Man muß ein Gespür dafür bekommen, was überhaupt noch erlaubt ist. Wir müssen strategisch planen und überlegen, wie wir welche Zielgruppe konkret ansprechen“, verdeutlicht Kaiser, die selbst schon um ihr Instagram-Profil mit knapp 10.000 Followern bangen mußte. Dieses war Ende des vergangenen Jahres für mehrere Monate gelöscht, anschließend aber reaktiviert worden.

Präsent auf Instagram sind auch die Unterhaltungsseite „ohne Gendersternchen“ flinkfeed.com (JF 21/20), das österreichische Freilich Magazin sowie das konservativ-freiheitliche Meinungsblatt Krautzone. Die wenigen Projekte die noch übrig sind, leben besonders von der Solidarität politisch Gleichgesinnter. So auch der Instagram-Kanal der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) mit über 9.000 Followern, die dort mit anderen Jugendorganisationen in Wettbewerb tritt. Auf der Startseite leuchtet dem Nutzer eine Mischung aus Bildern, Reels und Stories entgegen. Zwischen JA-Mitgliedern bei Veranstaltungen tummeln sich dort auch historische Größen wie Bismarck, Stauffenberg und Co., deren Konterfeis die AfD-Nachwuchskräfte modern bearbeitet wiederaufleben lassen. Dabei gedenken sie auch bedeutender Ereignisse der deutschen Geschichte wie jüngst der Reichsgründung vor 150 Jahren.

Wesentlich schlichter kommt das JA-nahe „germanyspride“ (rund 670 Follower) daher. Der Instagram-Kanal zeigt ausschließlich Porträtfotos von jungen Patrioten aus Deutschland. Darunter ist etwa die Hamburger AfD-Abgordnete Olga Petersen. Obwohl solche Projekte derzeit nicht mit „etablierten“ Angeboten konkurrieren können, ist der Weg über die sozialen Medien dennoch der vielversprechendste, um junge Menschen mit alternativen Inhalten zu erreichen, denn Instagram, TikTok und Co. sind das Forum Romanum der näheren Zukunft.