© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/21 / 19. März 2021

Das Corona-Nothilfeprogramm der EZB landet in Karlsruhe
Notwendige Beschwerde
Dirk Meyer

Der Zeitpunkt war klug gewählt. Kurz vor der EZB-Ratssitzung ging eine Klage gegen das Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein (Az. 2 BvR 420/21). Der Vorwurf: Kompetenzüberschreitung (Ultra vires) durch monetäre Staatsfinanzierung. Beschwerdeführer ist Markus C. Kerber, ihm haben sich weitere Professoren und Unternehmer angeschlossen. Im Rahmen seiner Ultra-vires-Kontrolle muß das BVerfG jetzt prüfen, ob sich die Notenbank innerhalb der vom Bundestag an die EU übertragenen Kompetenzen hält. Damit sollen die nationalstaatliche Souveränität und das Demokratieprinzip geschützt werden.

Die Folgen einer erfolgreichen Beschwerde wären gravierend. Der Bundesbank wäre die PEPP-Teilnahme zukünftig verboten, gegebenenfalls müßten Ankäufe rückabgewickelt werden. Bei einem Programmanteil der Bundesbank von 26 Prozent wären erhebliche Marktreaktionen zu erwarten. Dennoch geht der EZB-Rat davon aus, „daß die Ankäufe im Rahmen des PEPP während des nächsten Quartals deutlich umfangreicher ausfallen werden als während der ersten Monate dieses Jahres“. De facto sind es Finanzierungshilfen für die Hochschuldenländer, deren Renditen damit niedrig gehalten werden. Aufgabe der EZB ist jedoch die Stabilität des Euro, nicht die seiner Mitglieder sicherzustellen.

Schon in seinem Urteil vom Mai 2020 hat Karlsruhe (2 BvR 859/15) die Staatsanleihekäufe in einem parallellaufenden Programm PSPP für teilweise verfassungswidrig erklärt. So sei keine normgemäße Verhältnismäßigkeitsprüfung der Ankäufe erfolgt, die unter anderem die Sparer infolge der Niedrigzinsen erheblich geschädigt hätten. Auch würde die EZB ihre Aufgaben überschreiten, indem sie die Refinanzierungsbedingungen der Mitgliedstaaten verbessere, „weil sich diese zu deutlich günstigeren Konditionen Kredite am Kapitalmarkt verschaffen können“. Während das BVerfG keine offensichtliche Umgehung des Verbots der monetären Staatsfinanzierung anhand der vom ihm aufgestellten „Garantien“ erkennen konnte, gibt eine Datenanalyse jedoch Hinweise auf Verstöße gegen das Verbot, hochverschuldete Staaten wie Italien, Spanien und Frankreich bei den Aufkäufen zu bevorzugen. Teils erhebliche Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung lassen sich auch für das PEPP nachweisen.

Wenngleich das Urteil nicht auf dieses Programm eins zu eins übertragbar ist, da die Corona-Pandemie eine Ausnahmesituation darstellt, so sollten doch die Maßstäbe grundsätzlich auf die PEPP-Ankäufe Anwendung finden. Aufgrund der einschneidenden Folgen und seiner Integrationsverantwortung dürfte das BVerfG erfahrungsgemäß jedoch seine Kontrollvorbehalte zurückhaltend und europarechtsfreundlich ausüben.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.