© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/21 / 19. März 2021

Bürger*innen empören sich
Gendersprache: Der Duden zieht in den „Sprachkampf“ und erhält dafür fragwürdige Schützenhilfe
Thomas Paulwitz

Es war am 10. März 2020: Zwei Genderfreunde verabreden in Mannheim am Rande der Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) ein Geschäft. Es sind Henning Lobin und Kathrin Kunkel-Razum. Der IDS-Direktor und die Leiterin der Dudenredaktion sind sich schnell einig: Lobin wird für den Duden-Verlag ein Buch schreiben, das gegen ihre Kritiker zu Felde zieht. Genau ein Jahr später ist es soweit: Pünktlich zur diesjährigen Tagung des IDS erscheint das Buch „Sprachkampf – Wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert“.

Das Thema der Jahrestagung, „Sprache in Politik und Gesellschaft“ hilft bei der Vermarktung. Das Buch ist spalterisch angelegt, mit einem klaren Freund-Feind-Schema. Dazu strotzt es nur so vor Kriegsmetaphern. Lobin beschreibt in seiner „Frontbesichtigung“ verschiedene „Sprachschlachten“, geht dabei besonders auf das „Schlachtfeld geschlechtergerechtes Deutsch“ ein, bezeichnet den Verein Deutsche Sprache (VDS) als „Kampfverband“ und den Deutschen Bundestag als „Aufmarschgebiet“.

Für die Dudenredaktion kommt diese Polemik genau zur rechten Zeit: Der Duden hat sich in seinem „Sprachkampf“ für gegenderte Sprache nämlich sehr weit vorgewagt. Im Rechtschreibwörterbuch auf www.duden.de setzt er alles daran, das Generische Maskulinum zur Strecke zu bringen. Im Januar hatte die Dudenredaktion zugeben müssen, im Laufe des Jahres rund 12.000 Personen- und Berufsbezeichnungen gendern zu wollen. Bereits jetzt ist zum Beispiel laut Duden ein Mieter nicht mehr „jemand, der etwas gemietet hat“, sondern nur noch eine „männliche Person, die etwas gemietet hat“. Eine Frau, die vor Gericht Mieterschutz einklagt; ein Verein, der eine Geschäftsstelle anmietet – das sollen gemäß Duden nun männliche Personen sein. Auf diese Weise tritt der Duden die sprachliche Wirklichkeit, die sich auch in Gesetzestexten widerspiegelt, mit Füßen, indem er sie der Genderideologie unterordnet.

Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung los, der den „Sprachkampf“ gegen das generische Maskulinum erheblich behinderte und die Dudenredaktion in Erklärungsnöte brachte. Der VDS zum Beispiel rief die Aktion „Rettet die deutsche Sprache vor dem Duden“ ins Leben, die inzwischen mehr als 31.000 Personen unterzeichnet haben, darunter Dieter Nuhr, Reiner Kunze und Monika Maron. Sie fordern „den Duden auf, seine Sexualisierungspläne zu überdenken, in Zukunft sensibler und behutsamer mit der deutschen Sprache umzugehen, und sich auf seine ursprünglichen Ziele zu besinnen.“

Schon Ende Februar mußte der Duden etwas zurückrudern. Gegenüber dem Sprachdienst, der Zeitschrift der Gesellschaft für deutsche Sprache, erklärte Kunkel-Razum, sie wolle prüfen, bei den gegenderten Einträgen den Zusatz „kann auch geschlechterübergreifend verwendet werden“ hinzuzufügen. Daraus wurde jetzt ein etwas längerer Begleittext: „In bestimmten Situationen wird die maskuline Form (z. B. Arzt, Mieter, Bäcker) gebraucht, um damit Personen aller Geschlechter zu bezeichnen. Bei dieser Verwendung ist aber sprachlich nicht immer eindeutig, ob nur männliche Personen gemeint sind oder auch andere. Deswegen wird seit einiger Zeit über sprachliche Alternativen diskutiert.“

An dem irreführenden Eintrag „männliche Person“ für einen Mieter, der ja auch eine Frau oder ein Verein sein kann, änderte die Redaktion jedoch nichts. Unterdessen weisen ideologiefreie Wörterbücher wie das „Digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache“ weiterhin die sprachlich richtige Definition aus. Der „Mieter“ ist demzufolge selbstverständlich keine „männliche Person“, sondern schlicht eine „Person, die etwas gemietet hat“, ohne ausdrücklich definierte biologische Eigenschaften.

Von einer solchen wissenschaftlichen Neutralität ist der Duden weit entfernt. Seine neue „Rechtschreibprüfung online“ gestattet alle Genderschreibweisen wie „Mieter*innen“, „Mieter_innen“, „Mieter:innen“ oder „MieterInnen“. Ja, sogar solche Albernheiten wie „Mensch*innen“ und „Gäst*innen“ sieht der Duden als orthographisch korrekt an. Lediglich „Elter*in“ wird (noch) als Fehler markiert.

Es ist also kein Wunder, daß sich die Bürger über diese Instrumentalisierung ihrer Sprache zu ideologischen Zwecken aufregen. Sogar die ARD, wo Anne Will den Genderton vorgibt, gestattete in ihrem Mittagsmagazin einer Volontärin, sich gegen das Gendern zu äußern. Anfang März griff der Spiegel den Unmut in der Bevölkerung als Titelthema auf und schrieb von einem „Kulturkampf um die Sternchen“. Da kommt dem Duden die Schützenhilfe des IDS-Direktors sehr gelegen, der auch im Spiegel ausgiebig zu Wort kommen und für sein Buch werben darf.

In seinem „Sprachkampf“ dreht Lobin den Spieß um. Während sich viele Bürger darüber empören, wie der Duden und andere die deutsche Sprache instrumentalisieren, schreibt er davon, „wie die Neue Rechte die deutsche Sprache instrumentalisiert“. Dies sei ein „Thema, das alle Bürger*innen direkt oder indirekt betrifft“, preist der Dudenverlag das Buch an. Die Absicht hinter dieser Nebelkerze ist klar: Mit dem Gespenst der „Neuen Rechten“ will Lobin offenkundig jegliche Kritik an der Genderei diskreditieren. Nach seiner Lesart ist der Widerstand gegen politisch korrekte Sprache und Genderdeutsch Teil einer „neurechten Agenda“.

Indem Lobin vermeidet zu definieren, was denn diese „Neue Rechte“ ausmache, kann er in seinem Buch sämtliche Gender-Gegner damit etikettieren: vom konservativen Theologen Peter Hahne bis zum linken Kabarettisten Uwe Steimle. Die „Achse des Guten“ zählt er genauso dazu wie die JUNGE FREIHEIT und „Tichys Einblick“. Dem VDS wirft er vor, den Stil der AfD geprägt zu haben. All diese Personen, Publikationen, Parteien und Verbände wähnt Lobin offenbar als Teil einer „neurechten“ Verschwörung. Dabei unterstellt er diesen selbst „Verschwörungstheorien reinsten Wassers“, da es niemanden gebe, der anderen „eine neue Sprache aufzwingen will“. Auf eine sachliche Argumentation scheint sich Lobin nicht einlassen zu wollen. Offenbar befürchtet er, daß er dabei seinen „Sprachkampf“ verlieren würde – zu Recht.

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der vierteljährlich in Erlangen erscheinenden Zeitung Deutsche Sprachwelt.

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