© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Fortgesetzter Lockdown
Einfallsloser roter Knopf
Dieter Stein

Ratlosigkeit, Verzweiflung und Wut lese ich aus vielen Leserzuschriften über die Corona-Politik der Regierung. Wie lange sollen Einschränkungen des Lebens, Eingriffe in Grundrechte noch dauern?  Familien hatten auf Ostern gehofft, um nach monatelangen nervenzehrenden Kontakteinschränkungen wieder Enkel auf Großeltern treffen zu lassen. Die jüngsten Beschlüsse von Bund und Ländern machen nun einen Strich durch die Rechnung.

Vor einem Jahr schrieb ich, der Lockdown als „Notbremse ist eine einfallslose Maßnahme“, die alle in Haftung nehme, wobei am Schluß die wirtschaftlichen – und auch sozialen – Folgen ungleich verteilt seien. Es ist schockierend, daß in einem der einst innovativsten Industriestaaten der Welt die politisch Verantwortlichen heute kaum weiter sind.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder frohlockte nach den jüngsten Lockdown-Beschlüssen, das „Team Vorsicht“ habe obsiegt. Verblüffender ist, daß es auch ein Jahr nach Ausrufen der Pandemie kein „Team Planung und Organisation“ zu geben scheint, das auf geistreichere Ideen kommt, als flächendeckend alle Bürger dauerhaft zu isolieren.

Offensichtlich braucht es für rechtzeitige und ausreichende Bestellungen von Impfdosen Koordination und Durchsetzungsfähigkeit. Nicht nur bei der Impfstrategie mangelt es daran, sondern auch bei der Orderung von Schnelltests oder Aerosolfiltern für Schulen. Überall stehen sich entscheidungsschwache Politiker und Bürokraten der Ministerien gegenseitig auf den Füßen, wird verzögert, geschlampt, geschlafen.

Wie beim Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ drehen wir uns im Kreis, finden sich alle paar Wochen wieder die Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten zusammen und stieren hypnotisiert einen roten Knopf an, auf dem „Lockdown“ steht. Dieser ist zweifellos ohne große intellektuelle Anstrengung einfach zu bedienen. Es bedarf keiner lästigen Koordination oder Planung. Einfach drücken. Fertig.

Das Charmante daran: Politiker simulieren dabei Stärke. Konsequenz. Entschlossenheit. Noch eleganter: Der Schwarze Peter wird den Bürgern zugespielt. Sie sind das Problem. An ihnen bleibt die Umsetzung hängen, „Homeoffice“ und „Homeschooling“. Und wenn sogenannte Inzidenzwerte steigen, waren die Bürger halt undiszipliniert. Es ist angesichts fortgeschrittener Impfung von Risikogruppen und tragfähiger Hygienekonzepte aber überfällig, die Lockdown-Maßnahmen aufzuheben und auf intelligentere Lösungen zu setzen. 

Doch zurück zu unseren Lesern: Wie auch unsere Redaktion sind sie uneinig. Die einen begrüßen Impfungen, andere lehnen sie ab. Die einen sehen Corona als ernste Gefahr, die anderen weniger. Einfache Antworten sind in jeder Richtung verführerisch, weshalb stets Skepsis angeraten scheint. Oft bleibt uns nur ein Platz zwischen den Stühlen.