© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Türkei will Zehn-Prozent-Partei verbieten
Erdogan ohne Opposition
Ferhad Seyder

Der Antrag der türkischen Staatsanwaltschaft beim türkischen Obersten Gericht ist vorläufig der Höhepunkt der Verfolgung der „prokurdischen“ Partei HDP. Die Inhaftierung von 12 hohen Funktionären der Partei war der erste massive Angriff gegen frei gewählte Parlamentarier. Die Begründung war, genauso wie bei der Absetzung aller Bürgermeister der kurdischen Städte im Jahre 2019, die Unterstützung der PKK. Dabei haben die Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan und die türkische Justiz nie den Vorwurf der aktiven Unterstützung der PKK durch die HDP und ihre Funktionäre belegt. 

Zwar kritisierten die größte Oppositionsparte CHP und andere kleinere Parteien das Vorhaben. Doch könnten sie die nächsten auf Erdoğans Streichliste sein. Die EU hält sich zurück. Der Migrationsdeal mit Ankara ist wohl der Hintergrund der schwachen Haltung Brüssels. Auch der neue US-Präsident Joe Biden sucht keine Konfrontation. Er setzt offensichtlich den weichen Kurs, der von Ex-Präsident Barack Obama und ihm schon vor vier Jahren praktiziert wurde, fort. Erdoğan wittert also eine glänzende Chance, die erstarkende Opposition durch ein Verbot der Zehn-Prozent-Partei HDP empfindlich zu schwächen.






Ferhad Seyder leitete bis 2020 das Fachgebiet Kurdische Studien an der Universität Erfurt und ist nun emeritierter Professor für Politik- und Sozialwissenschaften