© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Weit von einer Mehrheit entfernt
Niederlande nach der Wahl: Eine stabile, eher rechte Regierung wäre durchaus möglich – Geert Wilders und Thierry Baudet sollen Außenseiter bleiben
MIna Buts

Kauthar Bouchallikht jubelt: Wegen 19.000 Vorzugsstimmen, so hat sie erst zwei Tage nach den Wahlen erfahren, darf sie ins Parlament einziehen. Und das, obwohl ihre Partei Grün-Links fast die Hälfte aller Mandate einbüßte und sich künftig mit acht statt 14 Mandaten begnügen muß. An dieses Ergebnis, so der Parteivorsitzende Jesse Klaver, müsse er sich „erst einmal gewöhnen“. Unangenehm dürfte für ihn die Personalie Bouchallikht werden, die sich selbst als „Klimaaktivistin und intersektionelle Feministin“ bezeichnet. Intersektionell sind Menschen, die gleich mehrere Merkmale von Minderheiten in sich vereinen. In ihrem Fall sind das: jung, muslimisch, weiblich. Radikal zählt nicht dazu, dabei war sie jahrelang bei der Jugendorganisation der Muslimbruderschaft engagiert und demonstrierte auf antisemitischen Demos der Hamas.  

Künftig sind im niederländischen Parlament 17 statt bislang 15 Parteien vertreten. Neu sind die JA21, eine Abspaltung des Forums für Demokratie, und der Bauernbürgerbund BBB, die zusammen drei Mandate gewannen. Nur drei Parteien, VVD, D66 und die rechte PVV, konnten mehr als zehn Prozent  der Stimmen auf sich vereinen. 

Spektakuläre Verschiebungen gab es nicht, einige bemerkenswerte schon: Die Linken und Grünen verlieren, die Rechten, zu denen neben PVV und dem „Forum für Demokratie“ (FvD) auch BBB und JA21 gezählt werden können, gewinnen.

Auf der Themenseite zu Wahl des niederländischen Dagblad ist es durch einfache Klicks möglich, beliebige Koalitionen zusammenzustellen: Bei der großen Zersplitterung des Parteiensystems könnten viele Parteien zum Zünglein an der Waage werden; eine Koalitionsbildung ist und war aber nie ein Problem. Die beiden liberalen Parteien VVD, etwas konservativer, und D66, etwas progressiver, waren bislang an der Regierung beteiligt und werden das künftig auch sein. Mit 59 von 150 Sitzen im Parlament sind sie aber weit von einer Mehrheit entfernt. Die neue Regierung soll wegen Corona noch vor dem Sommer stehen. Am wahrscheinlichsten ist ein Bündnis von VVD/D66  mit der CDA und wahlweise der eher traditionellen Christenunion oder der sozialdemokratischen linken PvDA,  

Möglich wäre es aber auch, darauf weist Thierry Baudet vom „Forum für Demokratie“ hin, eine stabile, eher rechte Regierung zu bilden. Mit acht statt vorher zwei Mandaten ist er der große Wahlsieger. Seine klare Position zum Ende des Lockdowns, der in Holland mit nächtlichen Ausgangssperren und dem sonntäglichen Zusammenprügeln coronakritischer Demonstranten verbunden ist, und sein tatsächlicher Wahlkampf mit Auftritten selbst in den kleinsten Städten hat sich ausgezahlt. 

Trotz der deutlichen Verluste für die linken Parteien – auch die Sozialisten der SP büßten von bisher 14 Mandaten fünf ein – wird aus dem rechten Bündnis wohl nichts werden. VVD und D66 wollen mit allen Parteien sprechen, haben aber eine Zusammenarbeit mit PVV und FvD bereits ausgeschlossen. 

Die neue Regierung wird die Corona-Krise und die Stickstoffbelastung, die mit einer Halbierung des Nutztierbestands bis 2035 verbunden ist, lösen müssen. Sie wird aber vor allem das Vertrauen der Bürger wieder zurückgewinnen müssen. Mehr als ein Drittel der Niederländer, so eine aktuelle Studie der Universität Groningen, sind der Meinung, die Regierung sei so schlecht, daß das ganze System am besten umgestürzt werden müßte.