© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Von wegen Kauderwelsch
Elsaß-Lothringen: Kritik an „Intoleranz“ der Pariser Zentralisten an Regionalsprachen
Friedrich-Thorsten Müller

Fast 30 Jahre nach der Verabschiedung der Europäischen Charta der Minderheitssprachen, diskutiert Frankreich darüber, diese als letztes EU-Land doch noch zu unterzeichnen. Bei einer Debatte dazu in der Nationalversammlung ließ sich Frankreichs Justizminister, Eric Dupont-Moretti, dazu hinreißen, Regionalsprachen als „Kauderwelsch“ zu bezeichnen. 

Die harsche Reaktion des bretonischen Republikaner-Abgeordneten Marc Le Fur zwang den Minister dann dazu, sich zu entschuldigen. Die Elsässer Autonomisten der Regionalistenpartei „Unser Land“ konnte dieses Zurückrudern allerdings nicht beruhigen. Wie deren Präsident, Jean-Georges Trouillet, bekundete, mache diese unbedachte Äußerung „nicht nur die Mißachtung, sondern auch die Intoleranz“ der Pariser Zentralisten gegenüber den Regionalsprachen deutlich. 

Indes präsentierte die Partei „Unser Land“ in einer Pressekonferenz in Straßburg ihr Programm und ihren Spitzenkandidaten für die im Juni anstehenden Regional- und Kantonalwahlen. Der Generalsekretär Martin Meyer wird die Liste mit 189 Kandidaten für die Regionalwahl in der Region „Grand Est“ anführen. 

Autonomie soll wieder mehr in den Fokus rücken

Dabei bekräftigte er, in der Rückabwicklung dieser 2016 künstlich aus der Champagne, den Ardennen, Lothringen und dem Elsaß fusionierten Mega-Region sein Hauptwahlziel zu sehen. Allerdings gehe man sogar noch einen Schritt weiter und wolle für das Elsaß danach – analog zu Korsika – einen Autonomiestatus erreichen. Schließlich sei auch das Elsaß eine Region mit „starker Identität“ und eigener Sprache.

Meyer geht es insbesondere um die Ausweitung der Zweisprachigkeit im Elsaß. Er selbst arbeite – dank seines Aufwachsens mit „Kauderwelsch“, wie er in Anspielung auf die Entgleisung des Justizministers bemerkte – für ein deutsches Ingenieurbüro im Elsaß. Dafür würden „400 Worte“ Deutsch nun einmal nicht reichen. Da er beruflich in der Stahlindustrie tätig sei, habe er viele Kontakte auch in die übrigen, vielfach schwerindustriell geprägten Teilregionen des „Grand Est“. 

Trotzdem räumt er ein, daß es die Autonomisten bei der Regionalwahl dort nicht leicht haben werden, weil neben dem Elsaß höchstens noch Lothringen über nennenswerte Autonomiebestrebungen verfüge. Die Region „Grand Est“ reiche aber bis vor die Tore von Paris. Dem Präsidenten von „Unser Land“, Jean-Georges Trouillet, geht es bei der Regionalwahl, vor allem darum, mit einem starken Wahlergebnis im Elsaß zu punkten. Er erhofft sich dadurch eine zunehmende Beachtung der Autonomiefrage in den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im kommenden Jahr.