© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Anhaltende Eiszeit zwischen Washington und Peking
Rote Billionenmacht
Albrecht Rothacher

Anchorage im Süden Alaskas war als Tagungsort zwischen den Außenministern Anthony Blinken und Yang Jiechi trefflich gewählt. Kälter und weiter weg von den globalen Industriezentren geht es schwerlich. Die neue US-Administration versucht da anzuknüpfen, wo Barack Obama vor vier Jahren aufgehört hat: eine Mischung aus US-Großmachtpolitik und menschenrechtlicher Moral.

In beider Hinsicht ist die staatskapitalistische und immer stärker werdende Supermacht China eine Herausforderung. US-Präsident Joe Biden versucht, die von Donald Trump zertrümmerte Allianz von Japan, Australien, Südkorea, Vietnam und Indien gegen China und den Schurkenstaat Nordkorea wieder zu kitten. Doch beide sind zwischenzeitlich wirtschaftlich stärker und militärisch gefährlicher geworden. Hongkong ist gleichgeschaltet und faktisch annektiert. Hunderttausende muslimische Uiguren schmachten in Umerziehungslagern. Auch Tibet, die Innere Mongolei und andere Minderheiten werden gewaltsam sinisiert. Das Südchinesische Meer und Taiwan sind militärisch akut bedroht. Doch die Zeit ist vorbei, das 1,4-Milliarden-Einwohner-Reich mit Wirtschaftssanktionen in die Knie zwingen zu können – es geht um ein Fünftel der Weltwirtschaft und des Welthandels. Mit seinen Seidenstraßen-Investitionen ist China bis nach Ostafrika, Süd­asien und Europa bestens vernetzt.

Trumps Strafzölle bleiben zwar in Kraft, haben aber der KP-Diktatur und ihrer Wirtschaft nicht wirklich geschadet. Über eine Billion Dollar sind 2020 als Auslandsinvestitionen ins boomende Reich der Mitte geflossen, während die Welt unter der Corona-Krise – made in China – litt. Die Währungsreserven kletterten voriges Jahr um 100 Milliarden auf 3,2 Billionen Dollar. Die US-Diplomatie scheint mit ihrem Latein am Ende. Die EU und die China-Freundin Angela Merkel sitzen zwischen beiden Stühlen. Aus Bidens Sicht kommt das Investitionsabkommen EU-China zur absoluten Unzeit.