© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Die ersehnte Wiedergeburt
Vor 200 Jahren begann der Aufstand der Griechen gegen die osmanische Fremdherrschaft
Jan von Flocken

Die Devise lautete „Eleftheria i Thanatos!“ (Freiheit oder Tod). Man schrieb den 25. März 1821, als Erzbischof Germanos von Patras die weiße Flagge mit dem hellblauen Kreuz auf dem Dach des Klosters Stagia Laura hißte. Der Geistliche rief damit die Griechen der Halbinsel Peloponnes zu den Waffen gegen die türkische Fremdherrschaft. Bald sprang der Funke des Aufstands zum Festland und auf die Ägäis-Inseln über. Männer aus Arkadien, Attika, Böotien und Epiros schlossen sich der Erhebung an.

Das erste Signal hatte der Fürst Alexandros Ypsilantis schon Anfang März 1821 gesetzt. In der unter osmanischer Herrschaft stehenden nördlichen Donauprovinz (heute Moldawien) sammelte er eine „Heilige Schar“ von etwa 2.000 Mann und zog gegen die Hauptstadt Jassy. Doch seine Erwartungen, der russische Zar Alexander I. werde der Rebellion zu Hilfe kommen, erfüllten sich nicht. Nach einer Niederlage bei Dragasani am 19. Juni wurde seine Truppe aufgerieben. Trotzdem ließ sich der Aufstand, welcher jetzt von Patras ausging, nicht mehr aufhalten.

Griechenlandbegeisterung herrschte in ganz Europa 

Die Türken reagierten mit äußerster Brutalität auf den Freiheitskampf. Auf der Insel Chios ließen sie im April 1822 mehr als 23.000 Einwohner ermorden und verkauften 47.000 in die Sklaverei. In Konstantinopel wurden 300 griechische Kaufleute gelyncht und der Patriarch Georgios V. beim Osterfest am Tor seiner Kathedrale aufgehängt. Sultan Mahmud II. wollte nach dem Verlust Ägyptens an den Usurpator Mohammed Ali nicht auch noch Griechenland verlieren.

Was ihm dabei entgegenkam, war die notorische Zerstrittenheit der oft in Stammesverbänden agierenden Hellenen. Die reiche Oberschicht (Phanarioten) hatte sich mit den Türken arrangiert und erstrebte allenfalls eine evolutionäre Umwandlung und mehr Mitspracherecht in der Verwaltung. Getragen wurde die nationale Erhebung in erster Linie von Bauern, Handwerkern und Kleinhändlern, die als „Klephten“ (Freiheitskämpfer) einen Guerillakrieg führten und den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner damit immer wieder im Zaum hielten. Unterstützung bekamen sie dabei von etlichen griechischen Reedern, die oft Schiffe zur Verfügung stellten, um Waffen und Gerät vom Ausland über das Mittelmeer herbeizuschaffen.

In Europa stieß der Befreiungskampf der Griechen bei vielen Menschen auf begeistert-romantische Zustimmung. In den meisten Ländern wurden Vereine der „Philhellenen“ (Griechenfreunde) gegründet. Die Monarchen der „Heiligen Allianz“ hingegen sahen jede revolutionäre Erhebung mit größtem Mißtrauen. Eine Ausnahme stellte König Ludwig I. von Bayern dar. Er sammelte unermüdlich Geld für die Philhellenen. Insgesamt kam europaweit die riesige Summe von 1,6 Millionen Pfund Sterling zusammen. Mehr als 200 Deutsche gingen als Freiwillige zur griechischen Front; Dichter wie Adelbert von Chamisso oder der Dessauer Lyriker Wilhelm Müller (Verfasser von „Das Wandern ist des Müllers Lust“) unterstützten den Freiheitskampf, und der Leipziger Philosoph Wilhelm Traugott Krug legte schon 1821 einen Verfassungsentwurf für die noch gar nicht existierende Republik vor:„Griechenlands Wiedergeburt. Ein Programm zum Auferstehungsfeste“.

Am 13. Januar 1822 erfolgte in Piada bei Epidauros durch eine Nationalversammlung die Unabhängigkeitserklärung des hellenischen Volkes. Das „Organische Statut von Epidauros“ legte unter anderem die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und religiöse Toleranz fest. Zur Hauptstadt wurde Athen gewählt. Solange die Stadt aber noch in türkischer Hand war, fungierte Korinth als Metropole. Staatsform sollte die konstitutionelle Monarchie werden. Zunächst kam es indes zur Wahl eines Ministerpräsidenten. Es wurde der erst dreißig Jahre zählende Alexandros Maurokordatos, der sich, obwohl einer Phanariotenfamilie entstammend, dem Befreiungskampf auf der Peloponnes angeschlossen hatte.

Damit waren jedoch die Gemeinsamkeiten erschöpft. Während die Stadt Messolongi am Golf von Patras vier Jahre lang gegen eine türkische Belagerung heldenhaft gehalten wurde (hier fand der englische Dichter Gordon Lord Byron 1824 einen frühen Tod), ging der politische Streit weiter. Das Fehlen einer Zentralgewalt machte sich schmerzlich bemerkbar. Eine Fraktion, „Kapitani“ genannt, setzte unter General Theodoros Kolokotronis auf die militärische Lösung, während andere, darunter auch Maurokordatos, einen diplomatischen Kompromiß bevorzugten. Es kam zu heftigen Anfeindungen. Kolokotronis wurde sogar vier Monate in einem Inselkloster gefangengehalten.

Erst 1830 erfüllte sich der Traum von der Souveränität

Schließlich griffen die europäischen Großmächte in den Konflikt ein. Insbesondere Rußland, wo seit 1825 mit Nikolaus I. ein neuer Zar den Thron bestiegen hatte, zeigte sich bestrebt, die Türken als Hegemon auf dem Balkan abzulösen. Überdies war man immer noch mißtrauisch wegen des revolutionären Potentials der griechischen Insurgenten. Eine vereinigte englisch-französisch-russische Flotte schlug schließlich die Türken im Oktober 1827 bei Navarino an der Westküste Griechenlands so vernichtend, daß der Sultan nachgeben mußte.

Nachdem bereits im April 1827 eine vereinte Nationalversammlung Ioannes Kapodistrias zum provisorischen Staatspräsidenten der „Ersten Hellenischen Republik“ erkoren hatte, wurde das Land schließlich im Frieden von Adrianopel 1829 (heute Edirne) in die Unabhängigkeit entlassen, auch wenn ihm erst 1830 die volle Souveränität zuerkannt wurde. Großer Verlierer des Konflikts war das Osmanische Reich, dessen Macht im 19. Jahrhundert rasch verfiel. 

1832 wählte dann eine Nationalversammlung Prinz Otto von Bayern, zweitgeborener Sohn von Ludwig I., zum „König von Griechenland von Gottes Gnaden“.