© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Die Witwe glaubte an eine Stasi-Täterschaft
Im März 1991 wurde Treuhand-Chef Detlev Carsten Rohwedder ermordet / Indizien und Bekennerschreiben deuten auf RAF
Alexander Graf

Über die Verbrechen der sogenannten Dritten Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) gibt bis heute viele Unklarheiten und Rätsel. So sind die Morde der Linksterroristen zwischen 1982 und 1993 immer noch nicht aufgeklärt. Wie der Fall des am 1. April 1991 erschossenen Präsidenten der Treuhandanstalt, Detlev Rohwedder, zeigt, geht es dabei nicht nur um die Frage, wer den Finger am Abzug hatte. 

Mit Rohwedder traf es einen der Top-Manager des Landes, der nach der Wiedervereinigung die Aufgabe hatte, die Sicherung, Neuordnung und Privatisierung des Vermögens der Volkseigenen Betriebe der ehemaligen DDR zu organisieren. Damit zog er wegen der damit verbundenen Massenentlassungen viel Haß auf sich. Morddrohungen waren die Folge. 

Der Sozialdemokrat, der nach Stationen im Bundeswirtschaftsministerium sein Können auch bei der Sanierung des Stahlkonzerns Hoesch unter Beweis gestellt hatte, galt vor seiner Ermordung als der „bestgehaßte Mann unter ostdeutschen Werktätigen“, wie der Spiegel damals schrieb. Seine Witwe Hergard Rohwedder sagte rückblickend in einem Handelsblatt-Interview, ihr Mann sei „der Buhmann der Nation“ gewesen, hinter dem sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten versteckten, um die unpopulären Maßnahmen abzuwickeln. 

DNA-Spuren von Wolfgang Grams am Tatort

Wegen der zunehmenden Angriffe auf ihn habe Rohwedder Ende 1990 seinen Posten verlassen und als Treuhandchef kündigen wollen. Aber Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) hätten ihn davon abbringen können, erinnerte sich Waigel später gegenüber der Zeit. „Wir brauchten ihn, wir wußten keinen Besseren für diese Aufgabe.“ 

Angesichts der seit den 1970ern bestehenden Gefahr durch die RAF verwundert es rückblickend, warum Rohwedder nur im Alltag von Leibwächtern begleitet wurde. Sein Wohnhaus in Düsseldorf stand nicht unter Polizeischutz, und kugelsicheres Glas war nur im Erdgeschoß eingebaut worden – was ihm zum Verhängnis werden sollte. 

Am Abend des 1. April 1991 durchschlugen drei Kugeln eine Fensterscheibe im ersten Stock. Die erste traf den Manager tödlich. Seine ihm zur Hilfe eilende Frau wurde von der zweiten schwer verletzt. Die dritte verfehlte die Eheleute. Ermittler fanden gut 60 Meter von Rohwedders Haus entfernt neben den Patronenhülsen auch ein Bekennerschreiben der RAF. Ebenfalls interessant waren ein auf einem dort liegenden Handtuch gefundenes Haar und Zigarettenstummel. Wie eine Jahre später veranlaßte DNS-Analyse ergab, war es ein Haar des RAF-Terroristen Wolfgang Grams, der 1993 bei einem Schußwechsel mit der Polizei ums Leben kam. Wie eine Untersuchung der Zigarettenkippen ergab, war Grams nicht allein am Tatort gewesen. 

Allerdings bestehen bis heute Zweifel, daß Rohwedder von der RAF ermordet wurde. Seine Witwe war bis zu ihrem Tod 2019 sicher, daß ihr Mann von der Stasi umgebracht worden sei. So sei er kurz davor gewesen, den Verbleib des SED-Vermögens aufzuklären. Ob die Stasi 1991 jedoch noch zu so einem Anschlag fähig war, darüber sind Historiker uneins. Solch eine Aktion hätte jedenfalls in die Strategie der Dritten RAF-Generation gepaßt. Wie aufgefundene Strategiepapiere zeigten, ging es ihr nicht mehr primär um die Befreiung inhaftierter Kampfgenossen, sondern um gezielte Morde.