© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 13/21 / 26. März 2021

Frisch gepresst

Erich Auerbach. Die NS-Diktatur, die ihn ins Istanbuler Exil trieb, betrachtete der deutsch-jüdische Romanist Erich Auerbach (1892–1957) in den 1930ern im größeren Rahmen einer „gegenwärtigen Weltlage“, die nichts anderes sei als eine „List der Vorsehung, um uns auf einem blutigen und qualvollen Wege zur Internationale der Trivialität und zur Esperantokultur zu führen“. Die „Standardisierung, sei es nach europäisch-amerikanischem, sei es nach russisch-bolschewistischem Muster“, so klagte er dem Schicksalsgenossen Walter Benjamin, laufe hinaus auf eine „einheitlich organisierte Erde mit einer einzigen literarischen Kultur“, mit einer womöglich einzigen literarischen Sprache. Damit wäre bald der Gedanke der Weltliteratur zugleich „verwirklicht und zerstört“. Diese Zeitdiagnose liest sich wie ein Kurzkommentar zu seiner den alteuropäischen Bildungskanon von Homer bis zu Marcel Proust und Virginia Woolf abarbeitenden „suggestiven Passionsgeschichte des westlichen Denkens“, die Auerbach 1946 mit „Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur“ vorlegte, inzwischen ein geistesgeschichtlicher Klassiker des 20. Jahrhunderts. Zu Leben und Werk eines Gelehrten solchen Kalibers gibt es zwar immer noch keine umfassende Untersuchung, aber jetzt immerhin eine so schmale wie instruktive Essaysammlung von Matthias Bormuth, die sich hervorragend als „Auerbach zur Einführung“ eignet. (wm)

Matthias Bormuth: Erich Auerbach – Kulturphilosoph im Exil. Wallstein Verlag, Göttingen 2020, gebunden, 143 Seiten, 18 Euro





Deutsche Misere. Das Lagebild ist vernichtend: In Deutschland gehe das „apolitisierte oder scheinpolitisierte Bürgertum als solches bunt und johlend seinem permissiven Untergang entgegen: nicht fähig, funktionierendes Altes zu bewahren und unfähig, funktionierendes Neues zu schaffen“. Welchen Weg dieses Land in den vergangenen hundert Jahren gegangen ist, stellt die prägnante kleine Analyse des AfD-Bundestagsabgeordneten Harald Weyel dar. Dabei setzt er bei Versailles 1919 an und endet in der Flucht nach Europa. Letzteres fungiert als Ersatzidentität der von nationalen Psychosen heimgesuchten Bundesrepublik, der sich dort bei Euro- und Targetsalden „die Wahl zwischen Finanz-Verdun und Finanz-Stalingrad“ eröffnet. (bä)

Harald Weyel: Die Verdammten Europas. Bemerkungen zur deutschen Lage. Landtverlag Manuscriptum, Lüdinghausen 2021, gebunden, 132 Seiten, 8,50 Euro