© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Corona-Politik
Die Volte der ewigen Kanzlerin
Dieter Stein

Mit einer Volte hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in der vergangenen Woche die mit den Ministerpräsidenten beschlossenen Einschränkungen zu Ostern wieder kassiert. Mit dieser Flucht nach vorne, verbunden mit einer umfassenden reuigen Bitte um Entschuldigung, ließ sie die immer stärker anbrandende Empörung gegen die konfusen Beschlüsse nicht nur ins Leere laufen, sondern münzte sie in eine in vielen Medien artikulierte Welle der Ehrerbietung für ihr weises Verhalten um.

Mit der selbstlos erscheinenden Übernahme der „vollen Verantwortung“ exkulpierte Merkel geschickt vor allem sich selbst. Der Rest bleibt im Regen stehen: Die Prügel für Impfchaos, Testdebakel, krumme Maskengeschäfte und ständiges Hü und Hott kassieren im Schatten der Kanzlerin andere: Laschet, Söder, Altmaier, Spahn, von der Leyen. Die in diversen Krisen abgehärtete Taktikerin Merkel muß nur auf die jüngste Umfrage des ZDF-Politbarometers schielen, um zu wissen, daß „die Bürger“ keineswegs einen Ausstieg aus den Einschränkungen wünschen: Danach finden 31 Prozent der zwischen dem 25. und 26. März Befragten die geltenden Corona-Maßnahmen „gerade richtig“, 36 Prozent meinen, sie müßten sogar „härter ausfallen“.

Im Wissen, daß es in dieser Hinsicht keinen grundlegenden Stimmungsumschwung gibt, konnte Merkel bei Anne Will am Sonntag deshalb schneidig erklären, daß wir uns auf weitere Verschärfungen einzustellen haben, da die Infektionen wieder stark zunehmen. Sie droht sogar damit, daß der Bund notfalls die Initiative an sich ziehen könnte, wenn einzelne Länder nicht konsequent genug gegensteuerten.

Indes nehmen trotzdem die Zweifel an den einfallslosen Maßnahmen mit dem „Lockdown-Hammer“ zu. In mehreren Studien (siehe Seite 7) läßt sich die Wirksamkeit der großflächigen Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht belegen – hauptsächlich stecken sich Menschen im privaten Umfeld und auf der Arbeit an. Daß Politiker dennoch zur Lockdown-Keule greifen, hat offenbar etwas mit Psychologie zu tun, mit einer Art Theaterdonner, der den Bürgern signalisieren soll: Jetzt wird es ernst! Dies bestätigt gegenüber der FAZ der Simulationsforscher Nikolas Popper, der den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz berät. Indem man auf Kosten bestimmter Geschäftsbereiche „alles herunterfährt“, soll beim Bürger der Groschen indirekt fallen, sich auch bei privaten Treffen am Riemen zu reißen.

Angela Merkel, die erneut Schaumgeborene, reitet so weiter auf ihren Sympathiewerten der Corona-Welle ihrer Abendsonne entgegen. Abendsonne? Vielleicht kassiert sie ja ihre Rückzugsabsichten noch einmal wie die Oster-Beschlüsse, und wir dürfen einer fünften Amtsperiode der ewigen Kanzlerin entgegensehen ...