© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Claus Ruhe Madsen. Unter seinem dänischen OB gilt Rostock als Corona-Musterstadt.
Arbeit statt Kaffeekranz
Karsten Mark

Ein zentrales Problem hatte der neue Oberbürgermeister bereits nach kurzem erkannt: die Sitzecke. Ihm war aufgefallen, daß sich in seinem Amtszimmer „alle erst einmal hinsetzen, Kaffee trinken und Kekse essen“. Und während die Mitarbeiter so Arbeitszeit vergeudeten, ärgerte sich der Chef darüber, mit der Lösung der Probleme seiner Stadt kaum weiterzukommen. Seitdem empfängt er nur noch zu 30-Minuten-Terminen – und zwar im Stehen.

Claus Ruhe Madsen kommt nicht aus der Verwaltung, ja nicht einmal aus Deutschland. Bekannt wurde der Däne 2019 als erster ausländischer Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Und nun machte der 48jährige Rostock mit seinem Corona-Management zur Musterstadt, was jüngst gar die Kanzlerin mit ihrer Bemerkung, alle Kommunen könnten doch tun, „was Tübingen und Rostock machen“, würdigte. Sprich, mehr testen, weniger schließen und vor allem – „das ist das A und O“, so Madsen – konsequente Kontaktnachverfolgung. Möglich sei die, weil Rostock sich auf die zweite Welle vorbereitet und rechtzeitig vorher mehr Personal eingestellt habe. Man also nicht erst „mit dem Löschen anfängt, wenn das Haus brennt“. 

Kritiker aber meinen, der Erfolg des sogenannten „Rostocker Wegs“ sei kaum Madsens Verdienst, sondern Resultat der Inzidenz-Mathematik und einer deutlich jüngeren Bevölkerung. Die Bürger der Hansestadt zählen im Schnitt drei Lenze weniger als der Durchschnitt im Land. 

Wie auch immer, Dank für ihr indirektes Lob durfte die Kanzlerin von Madsen nicht erwarten. Bei einem ZDF-Auftritt machte er klar, sich wie Merkel nur vor die Kameras zu stellen und zu sagen: „Wir müssen etwas machen“, reiche nicht. „Ich erwarte von einer Führungskraft, daß sie sagt, was wir machen.“

Gewonnen hat der parteilose Unternehmer 2019, der sein Vermögen mit Möbelhäusern und einer Wohnmobilvermietung gemacht hat, mit Unterstützung von FDP und CDU. Wohl auch deshalb, weil ein Gutteil seiner Wähler genug hatte von den roten Apparatschiks und dem Sozi-Filz, die seit der Wende die Kommunalpolitik dominierten. Dennoch stellt die ehemalige SED die stärkste Fraktion in der Rostocker Bürgerschaft. Die drei Senatoren, Stellvertreter des OB, kommen von SPD, Grünen und Linken. Mit bemerkenswerter Offenheit hat Madsen allerdings eingeräumt, daß selbst vertrauliche, sprich nur ihm und den dreien bekannte Dokumente an die Lokalpresse durchgestochen werden.

Dabei bedient der Däne auch grüne Interessen, etwa eine Stadtautobahn in eine Straße mit Rad­schnellweg umzubauen oder bei städtischen Veranstaltungen nur noch Vegetarisches zu servieren. Die Ausrufung des „Klimanotstands“ durch die Bürgerschaft hat er dagegen als Symbolpolitik kritisiert. Vor allem aber will der Rostocker Rauschebart eine längst vergessene Schultheißen-Tugend pflegen: Er sei nicht mehr bereit, mehr auszugeben, als sich im Stadtsäckel findet.