© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Ländersache: Berlin
Aufs Dach steigen
Paul Leonhard

Klimaschutz und Sonnenschein, mehr braucht es nicht zum Glücklichsein des rot-rot-grünen Senats in Berlin. Insbesondere seit das Solargesetz auf den Weg gebracht wurde, mit dem Hausbesitzer und künftige Bauherren endlich dazu verpflichtet werden können, das „große Solarpotential“ besser zu nutzen.

Ehrgeiziges Ziel ist es, daß die Bundeshauptstadt spätestens bis 2050 ein Viertel ihres Strombedarfs aus Sonnenenergie deckt. Damit spare man rund 37.000 Tonnen schädlichen Kohlendioxids im Jahr ein, strahlte die Grüne Ramona Pop, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, bei der Vorstellung des von ihrem Haus erarbeiteten Gesetzes. Berlin soll so Vorbild in Sachen Klimaschutz und Energiewende für andere Länder und Kommunen werden – oder zum abschreckenden Beispiel. 

„Mit unserem Solargesetz kommt die Solarpflicht für alle Neubauten und für Bestand bei grundlegender Dachsanierung ab 2023“, freut sich Pop. Prognostizierte Mieterhöhungen von bis zu einem Euro pro Quadratmeter können aus Sicht des Senats den Berlinern durchaus zugemutet werden – Mietendeckel hin oder her.

Mit deutscher Gründlichkeit ist alles geregelt: Installation und Betrieb von Photovoltaikanlagen sind ab einer Gebäudenutzfläche von mehr als 50 Quadratmetern verpflichtend. Bei Neubauten müssen mindestens 30 Prozent der Bruttodachfläche, bei Bestandsbauten mindestens 30 Prozent der Nettodachfläche mit Photovoltaikanlagen bedeckt sein. Auch die zu installierende Leistung wird vorgeschrieben. So darf bei Wohngebäuden im Bestand mit maximal zwei Wohnungen die Leistung drei Kilowatt, bei Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen und Nichtwohngebäuden sechs Kilowatt nicht übersteigen. Und wie ist das mit der ebenfalls favorisierten Dachbegrünung? Pop hat auch das im Blick: „Extensive Gründächer lassen sich gut mit Photovoltaikanlagen kombinieren.“

Selbst Hausbesitzer, deren Dächer nach Norden ausgerichtet sind, entkommen dem Solargesetz nicht. Diese müssen dann solarthermische Anlagen oder Anlagen für die Fassade anbauen. Lediglich eine klitzekleine Ausnahme gibt es: „Würde die Pflicht im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen, kann eine Befreiung beantragt werden.“ Die Aufträge für die Stempel „Antrag abgelehnt“ dürften schon vergeben sein, denn die Senatorin kann auch auf ein ganzes Maßnahmenbündel zur Beschleunigung des Solarausbaus verweisen, das neun Handlungsfelder mit insgesamt 27 Maßnahmen beinhaltet. 

Die Solarpflicht soll ab dem 1. Januar 2023 gelten. Bliebe nur die Frage, warum der Senat bei keiner einzigen Dachsanierung bei bezirklichen Gebäuden im vergangenen Jahr eine Photovoltaikanlage in Betrieb genommen hat. Vielleicht will man erst abwarten, welche Erfahrungen die privaten Hausbesitzer machen. 

Bereits im vergangenen Jahr schlug ein vom Umweltbundesamt erarbeitetes Gutachten übrigens eine Nutzungs- und Katasterpflicht vor, nach dem Gebäudeeigentümer ihre Dächer nicht selbst mit Photovoltaikanlagen bebauen müssen, sondern diese für den Bau und Betrieb derartiger Anlagen verpachten könnten.