© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

List mit der Liste
Gesetzentwurf: Personenbezogene Daten politischer Gegner zu sammeln soll strafbar werden – aber nicht für alle
Ronald Berthold

Das Anlegen sogenannter „Feindeslisten“ von Extremisten wird ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Allerdings hat die linksgerichtete Amadeu-Antonio-Stiftung erfolgreich interveniert und Vereinen aus dem linksextremistischen Antifa-Umfeld einen Freibrief verschafft.  Faktisch läuft es darauf hinaus, daß vor allem unter Strafe steht, wenn Rechtsradikale Adressen sammeln und veröffentlichen. Der Bundestag muß noch zustimmen.

Die Problemlage: Im Internet publizieren sowohl Rechts- als auch Linksextremisten personenbezogene Daten ihrer politischen Gegner. Sie verbinden dies meist mit direkten oder unterschwelligen Gewaltaufrufen. Attackierte AfD-Politiker und auch der von einem Rechtsextremisten ermordete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) standen auf solchen Listen. 

Laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion sind dem Bundeskriminalamt aktuell 24 Feindeslisten bekannt – darunter zahlreiche aus der linksextremistischen Szene. Dreimal nennt das Kabinett als Plattform die Internetseite „Indymedia“ (JF 9/21). Doch in dem Teil, in dem der Referentenentwurf die „Zielsetzung und Notwendigkeit“ für den neu ins Strafgesetzbuch einzuführenden Paragraphen 126a begründete, fand sich ausschließlich das „rechte Spektrum“ als Urheber. Linksextremismus blieb unerwähnt.

„Staatsbürgerliche Aufklärung“ geschützt

Die AfD-Fraktion hat die Bundesregierung deswegen am 2. März in einer Kleinen Anfrage damit konfrontiert, ob dieser bekannt sei, „daß die Erstellung von Feindeslisten sowie das ‘Outing’ von politisch Andersdenkenden ein Massenphänomen unter linksextremen Menschen in Deutschland ist“. Außerdem wollte die Oppositionsführerin wissen, ob die Bundesregierung „Maßnahmen ergriffen hat, um der öffentlichen Denunzierung politisch Andersdenkender spezifisch durch Linksextreme entgegenzutreten“. Eine Antwort lag zum Redaktionsschluß noch nicht vor. Aber die Regierung hat im nach der Anfrage veröffentlichten Regierungsentwurf das „rechte Spektrum“ in „extremistisches Spektrum“ geändert.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die für ihren „Kampf gegen Rechts“ mit Steuergeldern in Millionenhöhe gefördert wird, hatte in einer von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erbetenen Stellungnahme moniert, daß der erste Entwurf geeignet sei, „auch gegen Äußerungen vorzugehen, die weit über die beschriebenen Vorfälle rechtsextremer Feindeslisten hinausgehen“. Die Organisation bemängelte, daß damit „die wichtige zivilgesellschaftliche und journalistische Arbeit zu rechtsextremen Akteuren und Netzwerken gefährdet sein und mit Anzeigen und Verfahren überzogen werden“ könnte.

Darüber hinaus befürchtete die AAS, daß das Veröffentlichen personenbezogener Daten von Immobilienunternehmen-Mitarbeitern unter Strafe gestellt werden könnte. Es benötigt nicht viel Phantasie, um dabei auch an die Eigentümer besetzter Häuser zu denken. In Berlin-Friedrichshain hatten Linksextremisten Anwälte und Angestellte der Firmen brutal zusammengeschlagen. Die AAS kritisierte in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf, daß dieser die „Aufklärung über Aktivitäten und Besitzstände von Immobilienfirmen“, wie sie „solidarische Nachbarschaftsinitiativen gegen Verdrängung betrieben“, kriminalisiere. Die Stiftung bat die Justizministerin darum, „Formulierungen in den Gesetzestext aufzunehmen, um die beschriebenen Effekte zu vermeiden“.

Dem folgte zunächst Ministerin Christine Lambrecht und dann das gesamte Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie fügten einen auf den Strafgesetzbuch-Paragraphen 86 verweisenden Absatz ein, der es nicht unter Strafe stellt, „wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient“. Auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner und die thüringische Linken-Landtagsabgeordnete, Katharina König-Preuß, hatten davor gewarnt, daß sich das Gesetz auch „gegen antifaschistische Recherchearbeit“ richten könnte.

Diese Kritik hat die Bundesregierung ebenso umgehend berücksichtigt. In der direkt im Anschluß an das Gesetz veröffentlichten Begründung heißt es nun, es sei sichergestellt, daß „sozialadäquates Verhalten nicht in den Anwendungsbereich der neuen Strafvorschrift fällt“. Dazu zähle „insbesondere die Veröffentlichung der Recherchearbeit von Vereinen zur Aufdeckung extremistischer Bestrebungen“.

Damit können Linksextremisten die „staatsbürgerliche Aufklärung“, die „Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen“ oder antifaschistische Recherchearbeit für sich reklamieren. Dies erleichtert es Staatsanwälten, solche Verfahren nach Anzeigenerstattung einzustellen und erst gar keine Anklage zu erheben. Der neue Tatbestand „Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“ wird mit bis zu drei Jahren Gefängnis bedroht. Strafbar soll sein, Personendaten „in einer Art und Weise“ zu verbreiten, „die geeignet ist, diese Person oder eine ihr nahestehende Person“ in Gefahr zu bringen. 

Lambrecht will damit „gegen ein Klima der Angst und der Einschüchterung vorgehen, das von Hetzern geschürt wird“. Auch wenn sie hier keine politische Richtung der „Hetzer“ nennt, machen die Hintergründe des Gesetzgebungsverfahrens deutlich, wer nicht gemeint ist.