© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

„Ich habe schon 13 Wahlen gewonnen“
Parlamentswahl in Bulgarien: Ministerpräsident Bojko Borissow zeigt sich siegessicher / Massenproteste der Opposition gingen ins Leere
Paul Leonhard

Bulgariens Ministerpräsident Bojko Borissow zeigt sich siegessicher. Er habe bereits 13 Wahlen gewonnen. Kurz vor der Parlamentswahl am 4. April liege er mit seiner regierenden Mitte-rechts-Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) vier bis fünf Prozentpunkte vor der Konkurrenz, erklärte er gegenüber österreichischen Medienvetretern.

Deren Kritik an einer mangelhaften Medienfreiheit des Landes konterte der ehemalige Karate-Kämpfer damit, daß die größten Medien in Bulgarien in ausländischer Hand seien. Er verwies dabei unter anderem auf den – am vergangenen Samstag bei einem Hubschrauber-unglück gestorbenen – tschechischen Milliardär Petr Kellner, der im Oktober des vergangenen Jahres die sechs Fernsehkanäle der bTV Media Group erworben hatte.

Am Karfreitag, Punkt Mitternacht, gilt der Wahlkampf in Bulgarien dann als beendet. Politologen wie Ljubomir Stefanow von der Neuen bulgarischen Universität rechnen aber damit, daß nicht einmal die Hälfte an die Urnen gehen wird. Dabei besteht in dem Bal-kanland eine Wahlpflicht für jeden Staatsbürger ab 18 Jahren, allerdings ist diese nicht sanktioniert. Auch befindet sich das EU- und Nato-Mitgliedsland aufgrund gestiegener Coronafall-Zahlen seit dem 22. März erneut im Lockdown. Nach einer aktuellen Umfrage würde die als EU-freundlich geltende GERB, die zusammen mit CSU/CSU der liberalkonservativen EVP-Fraktion angehört, die Viktor Orbáns Fidesz Anfang März verlassen hatte, mit 30 Prozent der Stimmen stärkste Kraft werden. 

Das ist insofern erstaunlich, da oppositionelle Gruppen monatelang auf Demonstrationen – unterstützt von den Sozialisten, aber auch bürgerlich-konservativen Kräften – den Rücktritt   Borissows aufgrund Korruption und Machtmißbrauch gefordert hatten.

Auf Platz zwei würde die rußlandfreundliche „Bulgarische Sozialistische Partei“ (BSP) mit 23,2 Prozent landen, gefolgt mit 13,3 Prozent von der Formation „Es gibt so ein Volk“ (ITN) von TV-Entertainer Slawi Trifonow, die sich während der Proteste gebildet hatte, und der wirtschaftsliberalen, ebenfalls EU-freundlichen Türkenpartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS) mit 12,5 Prozent. 

Außerdem dürften die Splitterpartei „Demokratisches Bulgarien“ – sie hatte die Protestbewegung gegen Borissow organisiert, mit 5,7 Prozent, die Koalition „Erhebe dich BG!“ mit 4,5 Prozent und – falls sie den Sprung über die Vierprozenthürde schafft, die Bulgarische Nationale Bewegung IMRO (aktuell 3,7 Prozent) ins Parlament einziehen, in dem dann sechs oder sieben Parteien und Koalitionen für einen bunten Flickenteppich aus allen politischen Richtungen sorgen.

Derzeit regiert Borissows GERB-SDS zusammen mit den „Vereinigten Patrioten“ (VP) und der Unterstützung der Nationalen Front zur Rettung Bulgariens (NFSB/Wolija).

Einen kleinen Vorgeschmack darauf hatte Staatschef Rumen Radew im Sommer gegeben, als er den Demonstranten in Sofia zurief: „Ich verstehe eure Wut, nach all den Jahren der Lügen und Korruption.“ Gemünzt war das auf Ministerpräsident Borissow. Der Angegriffene will es nun wissen und tritt im Herbst persönlich gegen den Sozialisten an. Von dem „Duell der Generäle“ spricht der österreichische Standard, denn Borissow ist Generalleutnant der Polizei, Rumen Radew Ex-Generalmajor der bulgarischen Luftwaffe.