© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Bundesverfassungsgericht stoppt Corona-Wiederaufbaufonds
Gefährliche Kredite
Dirk Meyer

Es sollte schnell gehen: Mit Zweidrittelmehrheit stimmte der Bundestag und dann der Bundesrat zu. Doch am Freitag untersagte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Frank-Walter Steinmeier, das Eigenmittelbeschluß-Ratifizierungsgesetz (ERatG) zu unterschreiben. Worum geht es? „Freigeld für alle, der Deutsche zahlt“, meinte AfD-Chef Jörg Meuthen. Oder sachlicher formuliert: Dem Bundestag reichten 51 Minuten, um die Umwandlung einer auf der Souveränität der 27 Mitgliedstaaten gründenden EU in eine mit bundesstaatlichen Kompetenzen ausgestattete Transferunion abzusegnen. Das ERatG soll den kreditfinanzierten Corona-Wiederaufbaufonds in deutsches Recht überführen.

Ein Sonderhaushalt (Next Generation EU/NGEU; JF 47/20) von real etwa 824 Milliarden Euro soll die Corona-Folgen abfedern. Vollständig über EU-Kredite finanziert ist deren Rückzahlung von 2028 bis 2058 vorgesehen. An die EU-Staaten sollen 396 Milliarden Euro als nationale Kredite und 428 Milliarden Euro als Zuschüsse vergeben werden. Eine Nettozahlung Deutschlands von 52,3 Milliarden Euro ist Fakt. Dies verstößt gegen drei Grundregeln der EU-Verträge:

(a) Die EU darf keine kreditfinanzierten Zuschüsse vergeben (Art. 310 Abs. 1 AEUV), sondern kann nur auf Eigenmittel zurückgreifen (Art. 311 Abs. 2 AEUV).

(b) Die EU hat bislang keine Kompetenz zur Steuererhebung. Ihr Haushalt beruht auf Zuführungen der Mitgliedstaaten – auch das Deutsche Reich war lange ein Kostgänger seiner Einzelstaaten. Nun sind „innovative Eigenmittel“ wie eine Plastikabgabe und eine Finanztransaktionssteuer geplant – das Besitzsteuergesetz und der Wehrbeitrag von 1913 lassen grüßen.

(c) Das EU-Recht und das Grundgesetz verbieten eine Gemeinschaftshaftung für Kredite („Eurobonds“), zumindest in Höhe eines nicht mehr überschaubaren Umfanges. Das ERatG ermöglicht den Rückgriff auf ein deutsches Haftungspotential von über einer Billion Euro. Damit ist die gesamte Kredithöhe abgedeckt – und Platz für zukünftige Verschuldungen. Entsprechend formulierte Außenamtsstaatsminister Michael Roth (SPD), der Fonds sei ein „notwendiger und längst überfälliger“ Schritt auf dem Weg in die Fiskalunion.

Das „Bündnis Bürgerwille“ um Bernd Lucke (Uni Hamburg) und Hans-Detlef Horn (Uni Marburg) hat zusammen mit etwa 2.200 Unterstützern eine Bürgerklage beim BVerfG eingereicht, auch die AfD hat eine Beschwerde eingelegt. In einem Eilverfahren müssen die Karlsruher Richter nun klären, ob die Zweifel angebracht sind. Das würde den Wiederaufbaufonds zumindest verzögern, denn diesem müssen alle 27 EU-Mitgliedstaaten zustimmen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

 buendnis-buergerwille.de