© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Biomasse soll deutsche Kohlekraftwerke „klimaneutral“ machen
Altmaiers Kleinholz
Marc Schmidt

Die deutsche Energiewende ist ein Horrorfilm ohne Happy-End, aber mit jeder Menge Volten. Nach 21 Jahren Subventionsgrab Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und zehn Jahren beschleunigtem Atomausstieg versucht der politische Restverstand nun, drohende Probleme der Versorgungslücken nach Wetterlage zu lösen. Wirtschaftsminister Peter Altmaier arbeitet an der gesetzlichen Umsetzung eines Gutachtens im Auftrag der Kraftwerksbetreiber, die alte Kohlemeiler bei der Abschaltauktion nicht losgeworden sind.

Die Berliner Enervis Energy Advisors GmbH empfiehlt die Umstellung der verbleibenden Kohlekraftwerke auf „klimaneutrale“ Biomasse in Form von Kleinholz. Das Versprechen des CDU-Ministeriums, die geplante Subventionierung der Umrüstung würde weder den Strompreis erhöhen noch Steuergelder verschwenden, ist abenteuerlich. Obwohl unklar ist, wie der Holzbedarf in Deutschland gedeckt werden soll, wird ein Subventionsvolumen von einer Milliarde Euro für die Umrüstungen veranschlagt. Das sind wohl Peanuts, denn die „Energiewende könnte bis zu einer Billion Euro kosten“, verriet Altmaier schon vor acht Jahren in der FAZ.

Doch die Umrüstungen rechnen sich nicht, daher soll den Betreibern ein kostendeckender Abnahmepreis in einem Differenzpreismodell staatlich garantiert werden. Der Holz-Strom wird an der Börse verkauft, der Steuerbürger zahlt oder der Fiskus kassiert die Differenz zwischen Börsen- und Subventionspreis. Bereits jetzt zeichnet sich ein langfristiger Garantiepreis ab, den der reale Strompreis besser nie erreicht. Trotz des sich abzeichnenden neuen Systemfehlers werden die Pläne zur heimlichen Korrektur der Kraftwerksabschaltungen in der Bundesregierung und bei den Kraftwerksbetreibern begrüßt. In einem Land, in dem die Abholzung jedes Waldstücks – außer für Teslas Giga­factory – regelmäßig Polizeieinsätze verlangt, delegieren Angela Merkel, Altmaier & Co. die Probleme auf das nächste Bundeskabinett.