© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Pekinger Transmissionsriemen
Wirtschaftspolitik: Einige Dämpfer für den Huawei-Konzern / Kann Mercedes wie Volvo „chinesisch“ werden?
Albrecht Rothacher

Seit 120 Jahren verkauft die Stuttgarter Firma Daimler ihre Autos als „Mercedes“. Vor 95 Jahren erfolgte der Zusammenschluß mit der Mannheimer Konkurrenz zur Daimler-Benz AG. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Aufstieg zum Weltkonzern. Selbst die Geldverbrennung „DaimlerChrysler AG“ (1998–2007) kratzte kaum am Image. Das könnte nach der Ankündigung, künftig bei der Entwicklung von Verbrennungsmotoren mit Geely zusammenzuarbeiten, anders werden.

Denn der chinesische Konzern strebt nach Höherem: 2010 wurde Volvo von Ford übernommen. Und mit 9,7 Prozent ist Geely größter Einzelaktionär der Daimler AG – vor der Kuwait Investment Authority (6,8 Prozent) und Beijing Automotive Group (BAIC/fünf Prozent). Der bisherige Kooperationspartner Renault hat hingegen im März seine Daimler-Aktien für 1,1 Milliarden Euro abgestoßen. Und wer nach der geplanten Abspaltung bei Daimler Truck die Führung übernimmt, ist offen.

Mit Subventionen und im Parteiauftrag an die Spitze

Eine andere „Chinesische Errungenschaft“ – so die Übersetzung von Huawei – stößt auf mehr politisches Interesse. Während Geely mit dem Nachbau von japanischen Daihatsu-Autos begann, setzte Huawei-Gründer Ren Zhengfei auf Telekommunikation. 1994 entschied KP-Chef Jiang Zemin, daß Huawei Technologieführer bei Mikrochips werden solle. Der Zugang der ausländischen Konkurrenz zum chinesischen Markt wurde gesperrt. Huawei erhielt Subventionen zum Bau von Forschungszentren und eine Exportkreditlinie über 30 Milliarden Dollar durch die staatliche China Development Bank (CDB).

So wurde Huawei zum Hoflieferanten für Vodafone oder die British Telecom und Arbeitgeber von 194.000 Beschäftigten. Der Umsatz stieg innerhalb von zehn Jahren von 21 auf 123 Milliarden Dollar. Allerdings versetzten Donald Trump und der US-Kongreß dem Aufstieg einen Dämpfer: Der National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2019 verbannte Huawei und den chinesischen ZTE-Konzern vom amerikanischem Markt. Huawei war im vierten Quartal 2020 mit 32,3 Millionen verkauften Geräten nur noch fünftgrößter Smartphone-Hersteller der Welt – hinter Apple (90,1 Millionen Stück/Weltmarktanteil: 23,4 Prozent), Samsung (73,9 Millionen/19,1 Prozent) und den chinesischen Firmen Xiaomi (43,3 Millionen/11,2 Prozent) und Oppo (33,8 Millionen/8,8 Prozent).

Doch als Telekom-Ausstatter und Netzwerkbetreiber ist Huawei global – vor Ericsson (Schweden) – weiter die Nummer eins. Und wem gehört Huawei? Gründer Ren besitzt angeblich nur ein Prozent der Aktien. Mit Vermögen von etwa 1,4 Milliarden Dollar schafft er es nicht auf den „Bloomberg Billionaires Index“. Der chinesische Getränkemogul Zhong Shanshan (Nongfu Spring) ist dort mit 62,3 Milliarden Dollar auf Rang 14 gelistet, gefolgt von Ma Huateng (Tencent) mit 61,5 Milliarden Dollar.

99 Prozent von Huawei gehören formal der chinesischen Belegschaft – nicht aber den ausländischen Beschäftigten. Dieser Besitz aber wird von der Betriebsgewerkschaft verwaltet. Die wird als „Transmissionsriemen“ von der KP kontrolliert, und als Mehrheitsaktionär bestimmt sie die Firmenpolitik. Und der Compliance-Vorstand ist zugleich auch der Chef der Parteizelle bei Huawei. In puncto Regeltreue kann also in diesem „Staatsparteibetrieb“ nichts schiefgehen.

Das chinesische Sicherheitsgesetz von 2017 verpflichtet alle Bürger zur Zusammenarbeit mit den Behörden. Huawei-Technologie hilft dem autoritären Überwachungsstaat, die Gesichtszüge  nationaler Minderheiten (Uiguren, Tibeter, Mongolen), die sich von jenen der Han-Chinesen deutlich unterscheiden, schnell zu erkennen und ihre Bewegungen zu verfolgen. US-Dienste vermuten, daß Huawei auch hinter den Cyber-Attacken stecken könnte, die ausländische Firmengeheimnisse abschöpfen.

US-Exportkontrollen verlängert und verschärft

Wer wie Huawei Netzwerke installiert und wartet, ist gut plaziert, um den Datenabfluß diskret zu organisieren und gezielt „Malware“ zu installieren – also Corona im Netz, wiederum „Made in China“. Kein Wunder also, daß „Spy-wei“ (Donald Trump) ins Fadenkreuz der Amerikaner geriet. US-Firmen dürfen nur noch mit einer staatlichen Lizenz mit Huawei Geschäfte machen. Die meisten verzichten freiwillig, wie etwa Google, das neuen Huawei-Smartphones keinen Zugang zu seinem Android-System mehr erlaubt. Intel wurde wie allen anderen US-Halbleiterherstellern die Belieferung von Huawei verboten.

2018 wurde Huawei-Managerin Meng Wanzhou, Tochter von Firmengründer Ren, in Vancouver wegen eines US-Haftbefehls festgenommen. Der Vorwurf: Bruch der US-Sanktionen gegen den Iran und Nordkorea durch die Lieferung von US-Technologien. Inzwischen in lockerem Hausarrest in Kanada, versucht sie weiter, ihre mögliche Auslieferung in die USA zu verhindern, während Peking aus Rache ein halbes Dutzend Kanadier einsperrte. Obwohl China Vergeltung gegen alle Länder androhte, die Huawei „diskriminieren“, schlossen sich Kanada, Indien und Australien dem 5G-Bann der USA an. Die Briten beschlossen, bis 2027 Huawei-Technik aus ihrem Netz zu eliminieren.

Die EU-Länder sind bezüglich des im Aufbau befindlichen Mobilfunknetzes der neuesten Generation (5G) uneins. Das 4G-Netz (LTE) hatte die Hälfte der Mitgliedstaaten noch kräftig mit Huawei-Gerät bestückt, der EU-Marktanteil beläuft sich auf 35 bis 40 Prozent. Das treibt Betreibern wie der Deutschen Telekom, Vodafone oder Orange (Frankreich) die Schweißperlen ins Gesicht: Angesichts des US-Embargos fehlt es an Nachschub und Ersatzteilen für ihre überall verbaute Huawei-Technik.

Trumps Außenminister Mike Pompeo überzeugte zumindest Polen, die Tschechei, die Slowakei, Rumänien, Lettland, Estland, Dänemark, Schweden und Belgien vom „5G-Ban“. Ungarn, Irland, Spanien und Österreich (Magenta) setzen weiter voll auf Huawei. Frankreich hofft auf europäische Lieferanten wie Nokia und Ericsson. Deutschland zeigt sich hingegen unentschlossen: Die China-Freundin Angela Merkel ist pro Huawei, einige Grüne und die Atlantiker in der CDU-Fraktion wie Norbert Röttgen geben öffentlich Kontra.

Die EU-Kommission will im europäischen 5G-Netz Huawei „begrenzen“, aber nicht ausschließen. Die Mitgliedsstaaten sollten Hochrisiko-Lieferanten (sprich: Huawei und ZTE) nicht in sensible Kernbereiche lassen. Von einer EU-Industriepolitik, die den eigenen Hochtechnologiesektor fördert, war keine Rede. Peking war zufrieden, die Amerikaner gaben sich enttäuscht. Doch wer glaubte, das Huawei-Problem habe sich mit Trump verflüchtigt, sieht sich getäuscht. Joe Bidens Administration hat die Exportkontrollen bezüglich Huawei verlängert und verschärft. Die Geely-Ambitionen interessieren Washington nicht. Daher dürfte es kein Problem werden, bei Daimler mehr mitzureden.

 www.huawei.com

 www.zte.com.cn

 zgh.com





Chinesische Übernahmeinitiativen

Nach 110 Jahren Eigenständigkeit geriet die Behrens AG voriges Jahr in die Insolvenz. Ein deutscher Retter für den Ahrensburger Mittelständler, ein führender Hersteller von Nagelpistolen, fand sich nicht. Nun übernimmt der milliardenschwere Konzern Great Star Industrial aus Hangzhou diesen „Hidden Champion“ für nur 27,9 Millionen Euro. Die 450 Arbeitsplätze bleiben erhalten – zumindest vorerst. Insgesamt ist aber die Zahl der chinesischen Beteiligungen und Übernahmen in Deutschland von 44 (2016) auf 23 (2020) zurückgegangen. Doch nur bei 25 bzw. sieben Fällen ist das Transaktionsvolumen bekannt. Es sank demnach von elf Milliarden auf 700 Millionen Euro. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW-Kurzbericht 18/21). Die 3,7 Milliarden Euro schwere Übernahme der Münchner Siltronic AG wird übrigens dabei nicht dazugezählt: Der Käufer GlobalWafers stammt allerdings aus Taiwan. Der Konkurent steigt so vom dritt- zum zweitgrößten Siliziumscheiben-Lieferanten der Welt auf. (fis)

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