© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Nicht alle Krämerseelen segeln auf Erfolgskurs
Einzelhandel: Aldi ist seit 45 Jahren auf dem US-Markt vertreten / Lidl muß schwer kämpfen, die britische Tesco versenkte Milliarden
Thomas Kirchner

Vor Aldi-Filialen in den USA stapeln sich Einkaufswagen. Wie in Deutschland muß der Kunde eine Münze in den Wagen stecken, doch viele Amerikaner hingegen bringen ihren Shopping Cart nicht zur Sammelstelle zurück. Für den Quarter (25-Cent-Münze) glauben sie, sich vom Zurückschieben freigekauft zu haben. Beim Ableger Trader Joe’s ohne Pfand läuft die Abgabe besser. Und bei der Konkurrenz von Walmart, Target, Publix & Co. sorgen Aushilfskräfte dafür, daß es aufgeräumt aussieht.

Ansonsten läuft das Aldi-Geschäft prächtig. So gut, daß die Zahl der Filialen bis Ende 2022 von 2.000 auf 2.500 wachsen soll. Die Albrecht-Familie aus dem Ruhrpott ist schon seit 45 Jahren in den USA präsent: Aldi Süd mit der Marke selbst, Aldi Nord als Trader Joe’s in der Preismitte mit Bioprodukten. Beide setzen auf begrenztes Sortiment und Kopien von Markenprodukten.

Der in Europa erfolgreiche Konkurrent Lidl legt seit seinem US-Debüt 2017 in einigen Ostküstenstaaten einen Holperstart hin: Kaum 100 Geschäfte bestehen, nur 50 neue sollen bis Jahresende für eine Investitionssumme von einer halben Milliarde dazukommen. Die Schwarz-Gruppe aus Neckarsulm steht dabei in hartem Konkurrenzkampf: Eröffnet Lidl eine neue Filiale, senken Walmart & Co. in der Umgebung die Preise. Lidls Preisvorteil verpufft. Immerhin zahlt Lidl seinen US-Mitarbeitern 200 Dollar für eine Corona-Impfung.

Der US-Lebensmitteleinzelhandel ist ohnehin im Umbruch: Traditionelle Ketten fusionieren, um durch Größe effizienter zu werden. Die größte ausländische Konkurrenz für Aldi ist in den USA der niederländische Konzern Ahold Delhaize, der unter US-Namen wie Stop & Shop, Giant Food, Hannaford oder Martin’s Food um Kunden wirbt. Im Qualitätssegment mit den besten Margen wachsen Biomarktketten rasant. Amazon kaufte daher Whole Foods, eine Premium-Kette à la deutsches Reformhaus und als „Whole Paycheck“ (den gesamten Monatslohn ausgegeben) verspottet. Eine zehnprozentige Preissenkung verpuffte: Der globale Onlineriese, als brüllender Löwe losgesprungen, landete im US-Einzelhandel als verlustreicher Bettvorleger.

Wer auf Kundenwünsche eingeht, hat viel Erfolg

In die „sozialen Brennpunkte“ der Großstädte hingegen trauen sich Großkonzerne nicht hinein. Dort teilen sich meist kleine Familienbetriebe mit saftigen Preisaufschlägen den Markt. Der Lebensmitteleinzelhandel ist ein Gewinner der Corona-Krise. Parallel zu den Einbußen des Gastrogewerbes stieg der Umsatz in der Pandemie zweistellig. Bei Milch oder Desinfektionsmittel lag das Umsatzplus 2020 sogar im dreistelligen Prozentbereich.

Doch mit Aussicht auf ein baldiges Pandemie-Ende droht Katerstimmung. Nicht nur durch Öffnung des Gastgewerbes droht einen Rückgang kleiner Packungen mit den höchsten Margen. Der geplante US-weite Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde wird personalintensive Bereiche hart treffen. Großmärkte wie Costco, in denen Kunden die Ware direkt von der Palette nehmen, haben dann einen noch größeren Kostenvorteil. Aldi, Lidl oder Whole Foods hingegen haben einen Standortvorteil: Die Fahrt zum Großmarkt, für den in der Stadt meist nicht genug Platz ist, kostet im Großstadtstau viel Zeit.

Daß ausgerechnet deutsche Einzelhändler in den USA Erfolge verbuchen, überrascht manche. Die britische Tesco gab 2013 nach sieben Jahren und Verlusten von angeblich zwei Milliarden Dollar den US-Markt auf. Dabei gelten die Briten als Krämerseelen – Margaret Thatcher war Tochter eines Tante-Emma-Ladenbesitzers. Doch auch in China, Thailand, Malaysia, der Türkei oder Polen scheiterte Tesco. Die Deutsche Bank zog sich aus dem US-Geschäft weitgehend zurück, nachdem sie dort Milliarden versenkt hatten. Die Integration amerikanischer Bankiers in die deutsche Kultur funktionierte nicht. Besser geht es dem Münchner Allianz-Konzern, der mit Pimco einen weltweit führenden Vermögensverwalter erwarb. Doch dieser läuft weitgehend eigenständig und ist wohl deshalb so erfolgreich. Und mit 103,8 Milliarden Euro (2020) sind die USA vor China (95,9 Milliarden Euro) seit Jahren der wichtigste Exportmarkt deutscher Firmen. In der Technik liegt die Stärke des deutschen Ingenieurwesens, Verbraucherprodukte sind in den USA weniger gefragt. Volkswagen ist hier – anders als Toyota – kein Massenanbieter, und das unabhängig vom 32 Milliarden Euro teuren „Dieselgate“.

Audi, BMW, Mercedes und Porsche verkaufen ihre Autos gewinnbringender in den USA. Doch manches davon ist gar nicht „Made in Germany“. Die großen SUVs von BMW und Mercedes werden in Spartanburg (South Carolina) bzw. Tuscaloosa (Alabama) montiert. Der Audi Q5 wird seit 2016 in San José Chiapas im zentralmexikanischen Bundesstaat Puebla hergestellt. Der verlängerte VW Passat und der SUV Atlas sorgen für Tausende Arbeitsplätze in Chattanooga (Tennessee).

Anpassungsfähigkeit an die speziellen US-Kundenwünsche ist der Schlüssel zum Erfolg. Die deutsche Milliardärsfamilie Reimann (JAB Holding) kauft sich daher mittels etablierter US-Gründungen wie Panera Bread, Krispy Kreme Doughnuts oder Peet’s Coffee (JF 13/21) in die amerikanische Kaffeekultur ein. Aldi Nord ging beim US-Markteintritt mit dem Kauf der kalifornischen Kette Trader Joe’s ähnlich vor. Nur schrittweise wurden deutsche Strategien und Produkte eingeführt. Lidl ist noch ein Zwerg. Kommt der Aldi-Erfolg noch oder droht eine Tesco-Pleite? Der von Lidl in Schweden gekommene Johannes Fieber ist schon der dritte Topmanager an der Spitze von Lidl in den USA. Vielleicht bringt die Übernahme von 27 Best-Market-Läden in New York nun die Wende.

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