© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Gefährliches Spiel mit der Angst
Corona-Krise: Drei Ökonomen analysieren die Folgen der Massenhysterie / Hilft weniger Staat?
Paul Leonhard

Wenn Menschenmassen hysterisch werden, können Staaten und Währungssysteme zusammenbrechen. Das war der Fall, als die Welt 2008 in eine Finanzkrise taumelte und nur das Blankoversprechen von Angela Merkel und ihrem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) an die Sparer, daß „ihre Einlagen sicher sind“, einen drohenden „bank run“ verhinderte. Die 100- und 200-Euro-Scheine waren damals schon knapp geworden, die „Merkel-Garantie“ (Bild) verhinderte, daß die Bundesregierung ihr unerfüllbares Billionen-Versprechen tatsächlich einlösen mußte.

Die zweite Massenhysterie war harmloser, sie betraf im März/April des Corona-Jahres 2020 lediglich Klopapier, Teigwaren und Konserven. Nach einem kurzen Totalausverkauf fand sich alsbald alles wieder wie gewohnt in den Geschäften ein. Von einer „besonders emotionalen Erregung der Bevölkerung“ bei Ansteckungs- und Krankheitsrisiken sprach der Physiker Dirk Helbing, der zu Massenpaniken und epidemischen Ausbreitungsprozessen forscht, bereits kurz nach Ausbruch der Pandemie. Der Professor der ETH Zürich bezeichnete die Corona-Krise als „eine Reifeprüfung für unsere moderne Gesellschaft“.

Selbstkorrigierende Mechanismen unterdrückt

Einen Schritt weiter gehen drei an der König-Juan-Carlos-Universität Madrid lehrende Professoren. Sie untersuchten die ökonomischen Ursachen und weisen nach, wie politische Institutionen und der Staat die Ausbreitung von Massenhysterie nicht nur beeinflussen, sondern auch das Phänomen mit negativen Folgen für die öffentliche Gesundheit verschlimmern. Dabei stellen der deutsche Ökonom Philipp Bagus und seine spanischen Fachkollegen Antonio Sánchez-Bayón und José Antonio Peña-Ramos dem Idealmodell eines Minimalstaates den Wohlfahrtsstaat des 21. Jahrhunderts in Kombination mit sensationsgierigen Massenmedien entgegen.

Während letzterer mehr Aufgaben wahrnimmt und damit auch seine größere Macht dafür nutzen kann, selbstkorrigierende Mechanismen zu unterdrücken, so funktionierten in einem Minimalstaat, der sich allein auf den Schutz des Eigentums konzentriert, die solche Mechanismen zur Bewältigung einer tatsächlichen oder vermeintlichen Bedrohung viel besser. Ihre These stellen die Autoren in ihrer Studie „Covid-19 und die politische Ökonomie der Massenhysterie“ ausführlich dar. Sie wurde vom Liberalen Institut (LI) in Zürich, einer unabhängigen Schweizer Denkfabrik zur Erforschung freiheitlicher Ideen, auf deutsch herausgegeben wurde.

Die drei bieten dem Leser Einsichten und Erkenntnisse, „die angesichts der derzeitigen weltweiten Umstände von enormer Bedeutung sind“, wie LI-Direktor Olivier Kessler in seinem Vorwort betont: „Wir erfahren, welche Rolle ein Staat bei der Ausbreitung einer kollektiven Panik spielt – abhängig davon, ob es sich dabei um einen Wohlfahrtsstaat mit umfangreichen Kompetenzen oder einen liberalen Rechtsstaat handelt, der sich primär auf den Schutz der Eigentumsrechte fokussiert.“ Das Beispiel der Corona-Krise sei dabei symptomatisch: Obwohl die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu sterben, geringer als bei vielen anderen Krankheiten ist, habe ausgerechnet diese Infektionskrankheit weltweit Panik und außergewöhnliche staatliche Interventionen ausgelöst.

Aber liegt das wirklich nur an tendenziöser Medienberichterstattung, asymmetrischen Informationen und der Unfähigkeit, Statistiken zu verstehen? Im Wohlfahrtsstaat gebe es Verbote und harte Restriktionen. In dem von Libertären wie Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises oder Murray Rothbard präferierten Minimalstaat könne jeder, der sich in einer Hysterie in bezug auf die öffentliche Gesundheit befindet, freiwillig sein Geschäft schließen, eine Maske tragen oder zu Hause bleiben. Aber niemand könne andere, die gesund sind und der Hysterie nicht erliegen, dazu zwingen, ihre Geschäfte zu schließen oder in Quarantäne zu gehen.

Eine zunächst wohl kleine Minderheit könne die kollektive Panik einfach ignorieren und ihr normales Leben weiterführen – weil sie frei ist, dies zu tun. Wenn aber eine kleine Gruppe während einer kollektiven Gesundheitshysterie weiterhin einkaufen gehtt, soziale Kontakte pflegt und dabei nicht tödlich erkrankt, würde dieses „Vorbild“ die Angst der Mehrheit reduzieren. Schließlich würden dann immer mehr Bürger diesem Beispiel folgen. Lägen die „Mutigen“ hingegen falsch, würde eben entsprechend gegenteilig reagiert, Geschäfte würden dann eben vermehrt schließen.

Politiker inszenieren sich gern als Retter in der Not

In Deutschland riet dagegen das Innenministerium in einem internen Papier, erstens die Atemprobleme der Covid-19-Patienten zu betonen, da der Mensch eine Urangst vor dem Ersticken habe. Zweitens solle Kindern erklärt werden, daß sie sich leicht beim Spielen mit anderen anstecken könnten und dann schuld wären, wenn ihre Großeltern einen qualvollen Tod erleiden. Drittens sollte die Möglichkeit langfristiger irreversibler Gesundheitsschäden erwähnt werden. All das zielte darauf, die Angst in der Bevölkerung zu erhöhen.

Solange sich Angst nicht auch gegen den Staat selbst richte, profitiere die politische Klasse von der Corona-Übertreibung. Denn mutiges staatliches Eingreifen, noch dazu öffentlichkeitswirksam inszeniert, komme bei vielen gut an. Weswegen Politiker daran interessiert seien, sich als Retter in der Not aufzuspielen. Erweisen sich getroffene Maßnahmen als übertrieben, müsse kein Politiker dafür haften, da die Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Im Minimalstaat würde hingegen das Verursacherprinzip gelten.

Studie über „Covid-19 und die politische Ökonomie der Massenhysterie“: www.libinst.ch

Englische Originalversion unter: www.mdpi.com