© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Wie Rechte lesen oder metapolitische Literaturvermittlung
Radikale Aktualisierung
(ob)

Die Rede von staatlicher Repression, Scheindemokratie, manipulierten Massen, medialen Verblendungsmaschinerien und der Perfidie der „Herrschenden“ gehört zum Standardrepertoire der in der „Frankfurter Schule“ intellektuell sozialisierten 68er. Das scheint dem Welt-Feuilletonisten Mladen Gladić und der Literaturwissenschaftlerin Erika Thomalla (HU Berlin) in ihrem Essay „Wie Rechte lesen“ (Merkur, 3/2021) aber nicht mehr präsent zu sein. Sonst würden sie nicht kritisieren, daß sich das Deutungsspektrum „neurechter Lektüren“ auf dieses ehemals typisch linke „überschaubare Ensemble gleichbleibender Themen“ beschränke. Wobei für Gladić und Thomalla heute außer Frage steht, daß es sich bei den mit altlinkem Vokabular von Rechten beschriebenen bundesdeutschen Zuständen nur um eine „angebliche Meinungsdiktatur“ oder die „vermeintlich intolerante Mehrheitsgesellschaft“ handelt. Sie machen dabei als „zentralen Multiplikator der kulturalistischen Rechten“, die nach dem Rezept des marxistischen Theoretikers Antonio Gramsci die linksliberale Kulturhegemonie brechen will, um eine andere Politik vorzubereiten, Ellen Kositza und Götz Kubitschek aus, um deren Antaios-Verlag sich andere Kleinverlage gruppieren. Deren inzwischen auch auf Youtube verbreitete „metapolitische“ Literaturvermittlung zeichne sich durch „radikale Aktualisierung“ des Überlieferten aus. Dabei fielen die sich ihrer „klassischen Bildungsbiographien“ rühmenden Interpreten aber stets hinter ein modernes Literaturverständnis zurück, welches verbiete, den ästhetischen Eigenwert und Bedeutungsreichtum von Texten zu ignorieren, um sie für „politische Deutungen zu vereinnahmen“. 


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