© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Blick in die Medien
Eine kleine Relotiusnade
Tobias Dahlbrügge

Nach vier mäßig erfolgreichen Filmen hatte die Berliner Künstlerin Elke Lehrenkrauss endlich abgeräumt: Ihr Film „Lovemobil“ gewann 2020 Preise auf Festivals und wurde für den Grimme-Preis nominiert.„Lovemobil“ ist ein Rührstück voller Stereotype über Wohnmobil-Prostitution. Als Krönung ist die nigerianische Prostituierte Rita auch noch eine „Geflüchtete“, die erst über das Mittelmeer nach Europa kam und hier nun sexuell ausgebeutet und obendrein rassistisch diskriminiert wird. Hach, da laufen dem europäischen Publikum Wonneschauer über den Rücken, weil es sich so richtig mies und „privilegiert“ fühlen darf.

Doch der Schnittassistentin kamen mehrere Szenen suspekt vor, und sie äußerte dem Geldgeber NDR Bedenken hinsichtlich der Authentizität. Es stellte sich heraus: vieles ist Fake und „Scripted Reality“. Ein angeblicher Prostituiertenmord war frei erfunden. Darsteller dachten, für einen Spielfilm zu agieren und wußten nicht, daß sie an einer vorgeblichen „Dokumentation“ mitwirkten. Ein „Zuhälter“ sagt gegenüber dem NDR: „Ich fühle mich verarscht.“

Der NDR prüft rechtliche Schritte und möchte seine Qualitätskontrollen optimieren.

Lehrenkrauss hatte in Interviews erklärt, vor lauter „Druck“ eben „versäumt“ zu haben, nachgestellte Szenen zu kennzeichnen. Gleichzeitig sagte sie: „Ich kann mir nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben (…) Die Realität, die ich in dem Film geschaffen hab’, ist ’ne viel authentischere Realität.“ Nachdem der NDR bekanntgab, rechtliche Schritte zu prüfen, entschuldigte sich Lehrenkrauss allerdings und gab den Deutschen Dokumentarfilmpreis samt der Geldprämie zurück. Die „schwerwiegenden Fehler“ und „deren Ausmaß“ würden ihr jetzt „erst klar“ werden, sagte sie dem SWR, dem Hauptstifter des Preises. Zuvor hatte das Grimme-Komitee seine Nominierung zurückgezogen. Der NDR entfernte unterdessen den Film aus der Mediathek und kündigte an, seine Qualitätskontrolle zu optimieren.