© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Statistische Konstrukte
Zur Erfindung rechter Schüler
Oliver Busch

Was Daniela Krenns Artikel unter dem alarmistischen Titel „Hitlergruß auf dem Pausenhof“ zum besten gibt, ist ein Musterbeispiel für unseriösen Wissenschaftsjournalismus (Katapult-Magazin, 1/2021). Obgleich sie mit einer Nebelwand aus statistischen Belegen den Eindruck erwecken will, lediglich Ergebnisse faktensatter empirischer Forschung zu referieren, der zufolge gut sechs Prozent der Jugendlichen „rechten Weltanschauungen“ anhingen und drei Prozent sogar zur „rechtsextremen Risikogruppe“ gehören. 

Aufgelöst in absolute Zahlen, besteht zu der von Krenn geschürten Panikstimmung allerdings kein Anlaß. Bereits der skandalisierte „Hitlergruß“ wurde auf den „vor Corona“ dicht bevölkerten Pausenhöfen selten entboten. Genauer gesagt einmal, 2018 in Mecklenburg-Vorpommern, wo zwei Schüler, 12 und 14 Jahre alt, diesen frevelhaften Streich mit dem Ausschluß vom Unterricht bezahlten. Und in Hamburg dürfte es sich ein Viertkläßler, als einziger unter Zehntausenden im Februar 2020 einschlägig in Erscheinung getreten, fortan gut überlegen, ob er abermals in „Naziuniform mit einem Hakenkreuz auf dem Oberarm“ eine Faschingsfeier aufmischt. 

Das von ihr angefragte Bundes-kriminalamt (BKA) hätte Krenn auf die magere Ausbeute ihrer Recherchen zu „politisch rechts motivierten Straftaten“ Jugendlicher eigentlich vorbereiten müssen. Denn im Flächenstaat Bayern zählte das BKA schlappe 195 „rechte jugendliche Straftaten“, in der Millionenstadt Berlin mickrige 48. Bundesweit fielen 2.400 „Tatverdächtige“ in diese Rubrik, die sich zumeist mit „Propagandadelikten“ hervortaten. 

Um angesichts dieses enttäuschenden Befunds trotzdem von „rechter Gefahr im Klassenraum“ phantasieren zu können, greift Krenn auf „Studien“ des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zurück, das auch unter dem Nachfolger des Kriminologen Christian Pfeiffer blieb, was es jahrzehntelang gewesen ist, eine Politik und Medien zuverlässig mit Informationen fütternde Einrichtung, die Wissenschaft mit Ideologie verrührt. Was einmal mehr die von Krenn völlig unkritisch als Hauptquelle verwurstete „Regionalanalyse“ über „Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein“ bestätigt, die wie üblich durch wohlkalkulierte Absenz jeder Begriffsschärfe übel auffällt. „Rechtsextreme“ sind dann schnell gebacken, wenn man „Nationalgefühl“ als „Chauvinismus“ und Migrationskritik als „Fremdenfeindlichkeit“ deklariert.