© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 14/21 / 02. April 2021

Frisch gepresst

Ausgrenzung. Zwischen Philosoph John Stuart Mill und Verleger Wolfgang Neumann paßt kein Blatt Papier: Direkt untereinander stehen die Zitate der beiden, die dem aufklärerischen Titel „Cancel Culture“ von Kolja Zydatiss vorangestellt sind. Während Mill den Prototyp lobt, der „schonungslos unsere liebsten Meinungen angreift“, verweist der Verleger auf die simple Tatsache, daß – wer das gegnerische Wort fürchte – kein Vertrauen in das eigene Argument besitze. Es ist die Kernbotschaft, die der geradezu endemischen Ausgrenzung zugrunde liegt. Tatsächlich trauen sich heute etwa 80 Prozent der Deutschen nicht, zu bestimmten Themen offen ihre Meinung zu sagen. Nicht zufällig beginnt die Darstellung mit der südafrikanischen PR-Beraterin Justine Sacco, deren berufliches Leben im Jahr 2013 durch einen ironischen Tweet zerstört wurde und die im wörtlichsten Sinne in einem Albtraum erwachte. Heute löscht der Software-Konzern SAP „diskriminerende“ technische Fachbegriffe wie „Master“, „Slave“ oder „Blacklist“. Das Buch von Zydatiss (Jahrgang 1989) ist unbedingt lesenswert, da es analytisch wie exemplarisch zeigt, wie hier eine „neue Kulturrevolution“ heraufzieht. Pflichtlektüre! (cd)

Kolja Zydatiss: Cancel Culture. Demokratie in Gefahr. Solibro Verlag, Münster 2021, broschiert, 175 Seiten, 16,80 Euro





Vision 2040. Spätestens seit seinem Bestseller „Das Märchen vom reichen Land. Wie die Politik uns ruiniert“ (2018) sind die Bücher Daniel Stelters ein Muß für jeden, den interessiert, wie es wirtschaftlich um Deutschlands Zukunft bestellt ist. Der Berliner Ökonom und Wirtschaftswoche-Kolumnist gehört zu den wenigen seiner Zunft, die nicht nur an Gewinn, sondern auch an ihr Land denken. Im aktuellen Buch zieht er für Laien verständlich eine deprimierende Bilanz der Ära Merkel, vor allem des letzten „ungenutzten Jahrzehnts“: Immer mehr verlieren wir den Anschluß, ohne daß die Politik durchgreifend reagiert. Keinesfalls will Stelter aber, daß seine Leser darüber in Fatalismus verfallen. So entwirft er eine Vision – seinen „Traum“ – von Deutschland im Jahr 2040: wie es sein könnte, würde nun umgesteuert! Ein Buch, das Hoffnung macht, in einer Zeit, in der es kaum Grund dafür gibt, und das deshalb empfohlen werden muß. (mo)

Daniel Stelter: Ein Traum von einem Land. Deutschland 2040. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2021, gebunden, 350 Seiten, 26 Euro