© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Streit um Kanzlerkandidaten
Merkels Musterschüler
Dieter Stein

Kann sich noch jemand daran erinnern, mit welchen Worten Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Front gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung gemacht hat? Der Begriff „Asyltourismus“, den er im Sommer 2018 nach einigen Wochen wieder zurückzog, zielte direkt auf die laxe Politik der Kanzlerin. Gern kokettierte er wie seine Vorgänger von Strauß bis Seehofer damit, der selbverständlich bessere, kantigere Gegenentwurf zum CDU-Amtsinhaber im Kanzleramt zu sein.

Tatsächlich wirft sich Söder schon länger geradezu als Musterschüler der Kanzlerin in Pose. Zu Ostern folgte sein neuester Schachzug gegen Armin Laschet, seinen CDU-Rivalen um die Kanzlerkandidatur: Die Entscheidung, wer sich um die Nachfolge im Kanzleramt bewerbe, solle eng mit Merkel abgestimmt werden. „Denn es muß ein gemeinsamer Wahlkampf mit der Bundeskanzlerin werden. Ein Unions-Kandidat kann ohne Unterstützung von Angela Merkel kaum erfolgreich sein.“ 

Die erneute demonstrative Umarmung der amtierenden Kanzlerin düpiert Laschet und zeigt, wie sehr sich der Wind gedreht hat seit Beginn der Corona-Krise. Zuvor hatte in der Union fast schon eine „Merkel muß weg“-Stimmung bis tief hinein in die Reihen der Bundestagsfraktion geherrscht, galt Nähe zu Merkel als Malus. Ein Nachfolger könne sich gar nicht schnell genug bemühen, aus dem Schatten der Kanzlerin herauszutreten und sich gekonnt von ihr zu distanzieren.

Corona wendete dieses Blatt. Die gerade beschlossene Wiederauflage einer grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg signalisiert, wie sehr für die Union die Weichen auch im Bund längst auf Bündnisse mit den Grünen gestellt sind. Entsprechend dieser magnetischen Feldlinien richten sich die Akteure aus. Galt lange Armin Laschet als Chefmodernisierer der CDU, so rudert an ihm Söder locker runderneuert vorbei und profiliert sich als Meister des Superlockdowns, stets eng umschlungen mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

Ob realpolitische Alternativen zu Dauerkoalitionen der Union mit Grün und Rot in den Bereich des ernsthaft Diskutablen geraten könnten (wenn auch frühestens ab 2025),  auch dafür bereitet die AfD auf ihrem Bundesparteitag in Dresden das Feld – oder schließt sie aus. 

Wie groß die Repräsentationslücke durch die nach links driftende Union bleibt, unterstreichen die Nachrichten von der möglichen Aufstellung des Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen für ein Bundestagsmandat der CDU in Thüringen und die Kampfkandidatur von Friedrich Merz um ein Direktmandat im Sauerland: Beide werden nämlich – wenn sie nicht sowieso von Merkeltreuen verhindert werden – allenfalls politische Randfiguren bleiben.