© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/21 / 09. April 2021

Klaus Kinzler. Der deutsche Professor ist in Frankreich ins Visier der Kritik geraten.
Unter Beschuß
Friedrich-Thorsten Müller

Mit seiner drahtigen Erscheinung und seinem resoluten Auftreten entspricht Klaus Kinzler so gar nicht dem französischen Stereotyp eines Germanistikprofessors. Eher paßt all das zu seiner Selbstbezeichnung gegenüber dem Nachrichtensender CNews, als „Krieger, der sich nicht auf die Füße treten läßt“. Eine durchaus kalkulierte Provokation des Wahlfranzosen aus Stuttgart: Immerhin entspricht der frühere Bundeswehroffizier mit seinen blauen Augen und blonden Haaren voll und ganz dem historischen Deutschenbild in Frankreich. 

Was muß passieren, damit ein „ganz normaler Deutschprofessor an einem Provinzinstitut“, so Kinzler über sich selbst, sich nicht nur an seiner Hochschule, dem Institut d’études politiques de Grenoble, sondern auf landesweiter Bühne verteidigen muß? Es begann mit einer Debattenveranstaltung am Institut, mittels derer ihre studentischen Initiatoren eine Gleichsetzung von Islamophobie mit Antisemitismus und Rassismus erreichen wollten. Kinzler lehnte das ab: Islamophobie sei zwar Diskriminierung, bedeute aber kein millionenfaches Morden. Außerdem wagte der mit einer Moslemin verheiratete 61jährige zu äußern, daß er dem Christentum gegenüber dem Islam den Vorzug gebe, etwa wegen dessen gänzlich unterschiedlichen Umgangs mit dem Thema Ehebruch der Frau.

Immerhin mehrere Monate konnte die Debatte, trotz einiger beleidigter moslemischer Studenten, intern gehalten werden. Bis Aktivisten kürzlich das Gebäude des Institus für politische Studien mit Parolen beschmierten: „Faschisten in unseren Hörsälen! Professor Kinzler entlassen! Die Islamophobie tötet“, stand da in großen Lettern zu lesen. Zeitgleich initiierte die Studentengewerkschaft Unef einen Shitstorm in den sogenannten Sozialen Medien. Was folgte, wirft ein Schlaglicht auf die Situation der Freiheit von Lehre und Meinung: Eine Vizepräsidentin der Hochschule wollte Kinzler verbieten, mit der Presse zu reden. Einige Dozenten, die meinen, er habe das Ansehen des Instituts beschmutzt, schneiden ihn seither. Dazu ihre Weigerung, seine Unterscheidung zwischen Islam und Islamismus nachzuvollziehen: In einer Anhörung erklärte er seinen Standpunkt, traf aber auf Kollegen, die, so Kinzler, „einbetoniert in ihrem Elfenbeinturm nicht begriffen haben, was da auf dem Spiel steht“. 

Er werde nun wohl bis zu seiner Pensionierung Persona non grata sein, gab er jüngst gegenüber der Presse resigniert zu Protokoll. Eine Isolation, die eine weitere Annäherung an das Thema seiner Diplomarbeit darstellt, die er vor 35 Jahren an der Universität Nizza über Hölderlins „Hyperion“ schrieb. Dessen Romanheld, ebenfalls am Unverstand der Gesellschaft scheiternd, sich ins Eremitendasein getrieben sieht. Und der übrigens auch mit dem Islam kämpfte, damals im von diesem in Gestalt der türkischen Osmanen unterworfenen Griechenland.